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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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gesucht, daß einen Tag
    vor der Exekution kein Essen mehr verabfolgt werden soll.
    Aber die neue milde Richtung ist anderer Meinung. Die Damen
    des Kommandanten stopfen dem Mann, ehe er abgeführt wird,
    den Hals mit Zuckersachen voll. Sein ganzes Leben hat er sich
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    von stinkenden Fischen genährt und muß jetzt Zuckersachen
    essen! Aber es wäre ja möglich, ich würde nichts einwenden,
    aber warum schafft man nicht einen neuen Filz an, wie ich ihn
    seit einem Vierteljahr erbitte. Wie kann man ohne Ekel diesen
    Filz in den Mund nehmen, an dem mehr als hundert Männer im
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    Sterben gesaugt und gebissen haben?"
    Der Verurteilte hatte den Kopf niedergelegt und sah friedlich
    aus, der Soldat war damit beschäftigt, mit dem Hemd des
    Verurteilten die Maschine zu putzen. Der Offizier ging zum
    Reisenden, der in irgendeiner Ahnung einen Schritt zurücktrat,
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    aber der Offizier faßte ihn bei der Hand und zog ihn zur Seite.
    "Ich will einige Worte im Vertrauen mit Ihnen sprechen", sagte er, "ich darf das doch?" "Gewiß", sagte der Reisende und hörte mit gesenkten Augen zu.
    "Dieses Verfahren und diese Hinrichtung, die Sie jetzt zu
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    bewundern Gelegenheit haben, hat gegenwärtig in unserer
    Kolonie keinen offenen Anhänger mehr. Ich bin ihr einziger
    Vertreter, gleichzeitig der einzige Vertreter des Erbes des alten Kommandanten. An einen weiteren Ausbau des Verfahrens
    kann ich nicht mehr denken, ich verbrauche alle meine Kräfte,
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    um zu erhalten, was vorhanden ist. Als der alte Kommandant
    lebte, war die Kolonie von seinen Anhängern voll; die Über-
    zeugungskraft des alten Kommandanten habe ich zum Teil,
    aber seine Macht fehlt mir ganz; infolgedessen haben sich die
    Anhänger verkrochen, es gibt noch viele, aber keiner gesteht
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    es ein. Wenn Sie heute, also an einem Hinrichtungstag, ins
    Teehaus gehen und herumhorchen, werden Sie vielleicht nur
    zweideutige Äußerungen hören.
    Das sind lauter Anhänger, aber unter dem gegenwärtigen
    Kommandanten und bei seinen gegenwärtigen Anschauungen
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    für mich ganz unbrauchbar. Und nun frage ich Sie: Soll wegen
    dieses Kommandanten und seiner Frauen, die ihn beeinflus-
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    Franz Kafka: Erzählungen

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    sen, ein solches Lebenswerk" - er zeigte auf die Maschine -
    "zugrunde gehen? Darf man das zulassen? Selbst wenn man
    nur als Fremder ein paar Tage auf unserer Insel ist? Es ist aber keine Zeit zu verlieren, man bereitet schon etwas gegen meine
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    Gerichtsbarkeit vor; es finden schon Beratungen in der Kom-
    mandantur statt, zu denen ich nicht zugezogen werde; sogar
    Ihr heutiger Besuch scheint mir für die ganze Lage bezeich-
    nend; man ist feig und schickt Sie, einen Fremden, vor. - Wie
    war die Exekution anders in früherer Zeit!
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    Schon einen Tag vor der Hinrichtung war das ganze Tal von
    Menschen überfüllt; alle kamen nur um zu sehen; früh am
    Morgen erschien der Kommandant mit seinen Damen; Fanfa-
    ren weckten den ganzen Lagerplatz; ich erstattete die Mel-
    dung, daß alles vorbereitet sei; die Gesellschaft - kein hoher
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    Beamte durfte fehlen - ordnete sich um die Maschine; dieser
    Haufen Rohrsessel ist ein armseliges Überbleibsel aus jener
    Zeit. Die Maschine glänzte frisch geputzt, fast zu jeder Exeku-
    tion nahm ich neue Ersatzstücke. Vor Hunderten Augen - alle
    Zuschauer standen auf den Fußspitzen bis dort zu den Anhö-
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    hen - wurde der Verurteilte vom Kommandanten selbst unter
    die Egge gelegt. Was heute ein gemeiner Soldat tun darf, war
    damals meine, des Gerichtspräsidenten, Arbeit und ehrte mich.
    Und nun begann die Exekution! Kein Mißton störte die Arbeit
    der Maschine. Manche sahen nun gar nicht mehr zu, sondern
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    lagen mit geschlossenen Augen im Sand; alle wußten: jetzt
    geschieht Gerechtigkeit. In der Stille hörte man nur das Seuf-
    zen des Verurteilten, gedämpft durch den Filz. Heute gelingt es
    der Maschine nicht mehr, dem Verurteilten ein stärkeres Seuf-
    zen auszupressen, als der Filz noch ersticken kann; damals
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    aber tropften die schreibenden Nadeln eine beizende Flüssig-
    keit aus, die heute nicht mehr verwendet werden darf. Nun,
    und dann kam die sechste Stunde! Es war unmöglich, allen die
    Bitte, aus der Nähe zuschauen zu dürfen, zu gewähren. Der
    Kommandant in seiner Einsicht ordnete an, daß vor allem die
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    Kinder berücksichtigt werden sollten; ich allerdings durfte kraft meines Berufes immer dabeistehen; oft hockte ich

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