Erzählungen
aufneh-
men? Ich sehe ihn, den guten Kommandanten, wie er sofort
den Stuhl beiseite schiebt und auf den Balkon eilt, ich sehe
seine Damen, wie sie ihm nachströmen, ich höre seine Stimme
- die Damen nennen sie eine Donnerstimme -, nun, und er
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spricht:
'Ein großer Forscher des Abendlandes, dazu bestimmt, das
Gerichtsverfahren in allen Ländern zu überprüfen, hat eben
gesagt, daß unser Verfahren nach altem Brauch ein
unmenschliches ist. Nach diesem Urteil einer solchen
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Persönlichkeit ist es mir natürlich nicht mehr möglich, dieses
Verfahren zu dulden. Mit dem heutigen Tage also ordne ich an
- und so weiter.' Sie wollen eingreifen, Sie haben nicht das
gesagt, was er verkündet, Sie haben mein Verfahren nicht
unmenschlich genannt, im Gegenteil, Ihrer tiefen Einsicht
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entsprechend, halten Sie es für das menschlichste und men-
schenwürdigste, Sie bewundern auch diese Maschinerie - aber
es ist zu spät; Sie kommen gar nicht auf den Balkon, der
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Franz Kafka: Erzählungen
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Sie kommen gar nicht auf den Balkon, der schon voll Damen
ist; Sie wollen sich bemerkbar machen; Sie wollen schreien;
aber eine Damenhand hält Ihnen den Mund zu - und ich und
das Werk des alten Kommandanten sind verloren."
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Der Reisende mußte ein Lächeln unterdrücken; so leicht war
also die Aufgabe, die er für so schwer gehalten hatte. Er sagte
ausweichend: "Sie überschätzen meinen Einfluß; der Kom-
mandant hat mein Empfehlungsschreiben gelesen, er weiß,
daß ich kein Kenner der gerichtlichen Verfahren bin. Wenn ich
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eine Meinung aussprechen würde, so wäre es die Meinung
eines Privatmannes, um nichts bedeutender als die Meinung
eines beliebigen anderen, und jedenfalls viel bedeutungsloser
als die Meinung des Kommandanten, der in dieser Strafkolo-
nie, wie ich zu wissen glaube, sehr ausgedehnte Rechte hat.
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Ist seine Meinung über dieses Verfahren eine so bestimmte,
wie Sie glauben, dann, fürchte ich, ist allerdings das Ende
dieses Verfahrens gekommen, ohne daß es meiner bescheide-
nen Mithilfe bedürfte."
Begriff es schon der Offizier? Nein, er begriff noch nicht. Er
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schüttelte lebhaft den Kopf, sah kurz nach dem Verurteilten
und dem Soldaten zurück, die zusammenzuckten und vom
Reis abließen, ging ganz nahe an den Reisenden heran, blickte
ihm nicht ins Gesicht, sondern irgendwohin auf seinen Rock
und sagte leiser als früher: "Sie kennen den Kommandanten
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nicht; Sie stehen ihm und uns allen - verzeihen Sie den Aus-
druck - gewissermaßen harmlos gegenüber; Ihr Einfluß, glau-
ben Sie mir, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ich
war ja glückselig, als ich hörte, daß Sie allein der Exekution
beiwohnen sollten. Diese Anordnung des Kommandanten sollte
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mich treffen, nun aber wende ich sie zu meinen Gunsten. Un-
abgelenkt von falschen Einflüsterungen und verächtlichen
Blicken - wie sie bei größerer Teilnahme an der Exekution nicht
hätten vermieden werden können - haben Sie meine Erklärun-
gen angehört, die Maschine gesehen und sind nun im Begriffe,
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die Exekution zu besichtigen. Ihr Urteil steht gewiß schon fest; sollten noch kleine Unsicherheiten bestehen, so wird sie der
Anblick der Exekution beseitigen. Und nun stelle ich an Sie die
Bitte: helfen Sie mir gegenüber dem Kommandanten!"
Der Reisende ließ ihn nicht weiterreden. "Wie könnte ich
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denn das", rief er aus, "das ist ganz unmöglich. Ich kann Ihnen ebensowenig nützen, als ich Ihnen schaden kann."
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Franz Kafka: Erzählungen
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"Sie können es", sagte der Offizier. Mit einiger Befürchtung sah der Reisende, daß der Offizier die Fäuste ballte. "Sie können es", wiederholte der Offizier noch dringender. "Ich habe einen Plan, der gelingen muß. Sie glauben, Ihr Einfluß genüge
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nicht. Ich weiß, daß er genügt. Aber zugestanden, daß Sie
recht haben, ist es dann nicht notwendig, zur Erhaltung dieses
Verfahrens alles, selbst das möglicherweise Unzureichende zu
versuchen? Hören Sie also meinen Plan. Zu seiner Ausführung
ist es vor allem nötig, daß Sie heute in der Kolonie mit Ihrem
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Urteil über das Verfahren möglichst zurückhalten. Wenn man
Sie nicht geradezu fragt, dürfen Sie sich keinesfalls äußern;
Ihre Äußerungen aber müssen kurz und unbestimmt sein; man
soll merken, daß es Ihnen schwer
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