Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
Vom Netzwerk:
hatte. Der Komiker mußte von allem Anfang an als Rivale hingenommen werden; daran war nichts zu ändern ... aber über diesen Herrn Roland wollte er sich wahrhaftig nicht weiter ärgern. Jedesmal nahm er sich vor, nicht mehr von ihm mit der Blandini zu reden – und kaum war er fünf Minuten mit ihr zusammen, so fing der Zank wieder an. – Er fühlte, daß es nicht klug war; er trieb die Blandini geradezu in irgend etwas hinein, das er längst fürchtete. – Jetzt, wie er so durch die Straßen eilte, wußte er, was er fürchtete. Jetzt wußte er, daß der Anlaß zu dem Streich von heute Abend nicht die Lust am Spaß gewesen war: auch nicht die Absicht, dem Herrn Roland eine besondere Freude zu machen, obwohl er fest davon überzeugt war, daß Herr Roland erfreut sein werde; nein – er hatte die stille Hoffnung gehegt, daß er den kleinen Schauspieler für die Blandini lächerlich und unmöglich machen, daß sie über den lustigen Einfall Augusts lachen und sie nachher bessere Freunde sein würden als je; mit diesem Scherz dachte er Herrn Roland für die Blandini endgültig dahin zu verweisen, wo sein Platz war. Er hatte sich vor Beginn des Theaters vorgestellt, daß sie ihm vor seinen Freunden um den Hals fallen und ihm wie in früheren, glücklichen Zeiten sagen würde: »Du bist doch mein süßes und gescheites Afferl!« Aber schon im Theater hatte er gemerkt, daß die Sache anders auszufallen schien, als er gewünscht. Während des Applaussturmes nach dem Eintreten des Roland hatte die Blandini einen bösen Blick in die Loge geworfen, wo er mit seinen zwei Freunden saß, und als Roland zum letztenmal abging, hatte sie die Augen so verloren nach jener Tür gerichtet, daß August einen mächtig anwachsenden Zorn im Herzen fühlte. Und jetzt, je näher er dem Hause kam, in dem die Blandini wohnte, um so weniger verhehlte er sich, wovor er in Wahrheit zitterte: ... sie beide zusammen zu finden. Er beschleunigte die Schritte – noch um diese Ecke – und er stand vor dem Haustor. Es war eine der breiten Straßen hinter dem Ring; ringsum war kein Mensch zu sehen. Er lauschte und hörte über das beschneite Pflaster das gedämpfte Geräusch eines heranrollenden Wagens; seine Hand, die eben die Klingel drücken wollte, hielt inne, und er wartete.
    Der Wagen fuhr um die Ecke, hielt vor dem Haustor. Er kannte ihn gut, er hatte ihn ja selbst für die Blandini gemietet. Rasch trat er beiseite; es war ihm, als wäre seine ganze Erregung geschwunden. Denn er war fest überzeugt, daß sie im nächsten Moment mit Roland aus dem Wagen steigen würde – und dann war eben alles entschieden und alles aus. – Der Schlag öffnete sich, eine Dame stieg aus dem Wagen und schlug die Tür hinter sich zu. Es war die Blandini. August eilte herbei und schaute rasch durch das Fenster in den Wagen hinein. Er war leer. August atmete auf. Dann rief er: »Albine!« – Sie wandte sich rasch um, im Moment, da sie ihn erkannte, machte sie einen Schritt auf ihn zu. »Traust du dich her?«
    »Ah, das ist gut,« rief August, der sich plötzlich seiner Rechte neu bewußt wurde, »ob ich mich trau? Wo steckst du denn? Was machst denn du? Ich wart' zwei Stunden auf dich! Was heißt denn das?«
    »Mein Lieber, du kannst lang warten,« sagte die Blandini, »wir zwei sind fertig miteinander.«
    »Warum?«
    »Fragst noch?«
    »Erstens schrei nicht; der Kutscher braucht das nicht zu wissen – und zweitens –«
    In diesem Augenblick öffnete sich die Haustür; die Blandini eilte in den Flur und schlug die Tür hinter sich zu. August bebte vor Zorn. Aber er wollte sich vor dem Kutscher und dem Portier nicht blamieren und blieb ganz ruhig stehen. Er überlegte. Was sollte er tun? Warten? – Ihr nacheilen?! Sich der Gefahr aussetzen, von ihr nicht empfangen zu werden? Bis zum Morgen da auf- und abgehen? Ihr in der Früh auf der Straße einen Skandal machen? Er war so zornig, daß er sein eigenes lautes, beinahe schnaubendes Atmen hörte. – Nach zwei Minuten öffnete sich das Haustor von neuem, und Albine erschien.
    Sie eilte zum Wagenschlag und rief dem Kutscher etwas zu. August eilte ihr nach und packte sie beim Arm. »Wohin?«
    »Was gehts dich an?« Sie machte sich los von ihm und sprang in den Wagen; er ihr nach.
    »In
meinem
Wagen werd' ich doch wohl mitfahren dürfen,« stieß er zwischen den Zähnen hervor.
    »Bitte.«
    Der Wagen rollte fort.
    »Darf ich um Aufklärung bitten?« fragte August.
    Sie antwortete nicht.
    »Woher bist du

Weitere Kostenlose Bücher