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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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...«
    Und beide schauten dem Fenster zu, ins Dunkle, Leere. Und vor beiden erschien dasselbe Bild. Ein jubelnder Lichterglanz ... Mitten darin der große grüne Tisch; und die Karten fallen, und Vermögen rollen hin und her ... Ein Rausch überkam sie ... der Rausch der Spieler, die sich erinnern. Der Rausch der Menschen, die daran denken, daß es nur eine Laune des Zufalls braucht, um sie reich und hochbeglückt zu machen. Ein Luftzug strich herein, das Kerzenlicht flackerte ... Der grüne Tisch versank, der Glanz der Lichter löschte jäh aus ...
    Der Alte nahm seinen Hut und ging. »Guten Abend, mein Sohn«, sagte er noch bei der Tür. Und so rasch er konnte, eilte er die Treppe hinunter. Es war an der Zeit gewesen. Kaum war er aus dem Tor getreten, so nahte von der anderen Seite die Gestalt des Mannes, die er seit jenem Abend wohl nicht mehr gesehen, aber nicht vergessen hatte. Mit weit offenen Augen blieb Weldein stehen ... Und ins Tor sah er ihn hineintreten, sah ihn die ersten Stufen hinaufsteigen und verschwinden – wie damals auf der Stiege des Klubs, als er von ihm mit seinem Reichtum spät nachts mitten auf der Straße verlassen worden. Und Weldein trat weiter weg vom Tore; er schaute hinauf zum Fenster seines Sohnes und wartete. An der gegenüberliegenden Wand erschienen Schatten, die sich bewegten ... Sein Sohn und Graf Spaun ... Ihn schauerte ... Warum nur? Ein Gedanke kam ihm plötzlich ... Er wird ihm Unglück bringen! Und er wollte wieder zurück, hinauf, seinen Franz retten ... Der helle Lichtschein im Flur brachte ihm die Besinnung zurück ... Er blieb stehen ... »Narr«, murmelte er vor sich hin. Und er ging in die Schänke.

VI

    Früh morgens kam Franz Weldein nach Hause; voll von Eindrücken, ja mit einem Hauch von Begeisterung setzte er sich hin, um einige Skizzen hinzuwerfen. Und doch ... irgend etwas war, was ihn störte. »Ich weiß, was es ist«, sagte er vor sich hin. »Ich weiß, was mir fehlt ... Ja, wenn ich mich hinsetzen könnte mitten unter die Leute und mitempfinden, was sie empfinden; das war' was andres! Dann könnt' es ein Bild geben! Ja dann! –«
    Und er skizzierte weiter. Nach einer Stunde wurde er müde. »Ich will ein wenig ruhen«, dachte er ... »mich nicht zu Bette legen ... ich will nur darüber sinnen ...« Und er streckte sich auf das Sofa ... Er schloß die Augen, und das Bild entwickelte sich vor ihm. Da ist der Saal in seiner stolzen Einfachheit. Die vier großen Spiegel in goldenen Rahmen ... Eigentümliche Reflexe, die von einem zum andern fallen. Ein großer Herr mit blondem Schnurrbart in der Türe stehend, eine Gardenia im Knopfloch ... Eine Gruppe Teilnahmsloser, an einem der großen Fenster stehend, plaudernd, Zigaretten rauchend ... Und dann die Spieler um den Tisch ... Der Herr mit dem schwarzen Vollbart. Doch nein ... sie durften nicht zu erkennen sein ... Nur irgendein Schimmer von jedem ... Bei jedem findet die Leidenschaft des Spiels irgendeinen Ausdruck, der gerade ihm eigentümlich ist. Fast alle scheinen ruhig, doch er, der Künstler, sieht, was den anderen verborgen ... Um die Lippen des einen, um die Augenwinkel des anderen, auf der Stirne eines dritten gewahrt er den Abglanz desselben Feuers.
    Und Franz Weldein lag mit geschlossenen Augen da, er fühlte, wie er dem Wahren näherkam. Ein Geräusch von schweren Schritten schreckte ihn auf. Jemand war hereingetreten. Der Maler schlug die Augen auf. »Wer ist da?« Es war ein unbekannter Bursche. Weldein erhob sich rasch.
    Der Bursch sprach hastig, den Hut in der Hand. »Ich bitte ... Herr Weldein, Ihr Vater ist ... ich bin vom Haus ... er ist krank geworden ... Sie möchten hinkommen.«
    »Krank? Wie? ... Was ist denn geschehen?«
    »In der Nacht, wie der Herr Vater nach Hause gekommen ist ...«
    »Nun, was denn?«
    »Geschrien und gesungen hat er die ganze Nacht, und jetzt liegt er im Fieber ...«
    »Im Fieber? Ist schon der Arzt dort?«
    »Nein, im Haus hat man gesagt, ich soll zuerst zu Ihnen ...«
    »Kommen Sie.«
    Und beide eilten hinunter. Auf der Treppe sagte Franz Weldein:
    »Im Hause nebenan wohnt ein Doktor ... Sie bringen ihn mit, verstehen Sie?«
    »Jawohl.«
    Und der junge Künstler lief dem Hause seines Vaters zu, das kaum hundert Schritte entfernt war. Nach wenigen Minuten stand er an dem Bette des Kranken. Eine Nachbarin hatte unterdessen bei diesem gewacht.
    Der Alte lag stöhnend mit halbgeschlossenen Augen auf dem Bette ausgestreckt. Sein Gesicht war hochgerötet ... Er

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