Erzaehlungen
erkannte seinen Sohn nicht. Dieser rief ihn an: »Vater, Vater!« Die Nachbarin, eine gute, alte Frau, wollte den jungen Mann trösten. »Jetzt ist er schon ruhiger«, meinte sie. – »So, so ...«, sagte Franz, Beide standen eine Weile da, ratlos den Alten betrachtend. »Da ist der Herr Doktor«, sagte die Nachbarin.
»Oh, endlich!« rief Franz aus und trat dem eintretenden Arzt, einem noch jungen Manne, den er selbst zuweilen zu Rate gezogen hatte, entgegen. »Nun, was gibt's denn?« fragte der Arzt. »Ihr Herr Vater, wie ich höre.«
»Jawohl, Herr Doktor, mein Vater« ..., und zur Frau gewendet ... »Ich danke Ihnen sehr. Sie werden vielleicht später wieder so gut sein!« – Die Frau ging.
Der Arzt war zum Bett getreten und betrachtete den alten Weldein prüfend und ernst. Angstvoll stand der Sohn dabei ... Er sah zu, wie der Arzt das Ohr an die Brust des Kranken legte, horchte, wie er den Puls griff, die Atemzüge zählte. Nach einigen Minuten schien die Untersuchung zu Ende zu sein ...
»Gefährlich?« fragte der Sohn.
»Ihr Vater hat eine Lungenentzündung.«
»Lungenentzündung ... da kann man ja davonkommen ...«
»Gewiß kann man. Aber es scheint ... Ihr Vater war ein Liebhaber von geistigen Getränken ... nicht wahr?«
»Allerdings. Hat das einen Einfluß?«
»Leider ja, Herr Weldein. Im übrigen ist noch kein Grund da, zu verzagen. Nun ... wir werden weiter sehen ...«
»Also gefährlich«, flüsterte Franz.
Der Arzt antwortete hierauf nicht weiter, gab dann Anordnungen und Ratschläge. Aufmerksam und traurig hörte der junge Mann zu. Mit herzlichen Worten nahm der Arzt Abschied, und Franz blieb allein bei dem Kranken zurück. Es war ein Augenblick gekommen, wo dem Alten das Bewußtsein teilweise wiederzukehren schien, und er nahm wie im Traum die dargebotene Hand seines Sohnes in die seine. »Willst du etwas? ... Vater ... Willst du etwas?« Dieser bewegte die Lippen ... Der Sohn beugte sich hernieder, um etwas von den Lippen herablesen zu können. Aber ganz vernehmlich, nur heiser stieß der alte Weldein jetzt das Wort hervor: »Trinken!« ... Dann begann er zu husten, lange und qualvoll ...
VII
Die ersten Tage war es noch leidlich gegangen; in der dritten Nacht aber vermehrte sich der Husten, das Stöhnen wurde angstvoll, der Ausdruck des Gesichts verfallen. Dabei sprach der Kranke im Schlaf, wollte aus dem Bett springen. Nicht
einmal,
zehnmal vielleicht; erst gegen Morgen wurde es besser. Auch der nächste Tag war schlecht. Am Abend des fünften sagte der Arzt zum Sohne: »Mein lieber Herr Weldein, es steht ernst. Sie müssen sich gefaßt machen; es ist meine Pflicht, Ihnen das zu sagen.« – »Gefaßt ...«, wiederholte Franz tief bestürzt ... »gefaßt.« – »Nur Ruhe, lieber Freund ... Sie sind ja ein Mann.« Damit ging er .... Der junge Weldein stand da, festgebannt, ihm nachstarrend ... minutenlang. Das Licht zu Häupten des Kranken flackerte, in der Mitte des Zimmers auf dem Tisch stand eine schlecht brennende Öllampe.
Franz ging ein paar Mal im Zimmer hin und her, als hätte er was zu suchen, dann stellte er sich ans Fußende des Bettes, die Arme auf die Lehne desselben stützend; er war todesmatt, manchmal dem Einschlummern nahe, ... da ward sein Arm müde, und das Bettgestell knackte ... Er schrak zusammen und entfernte sich wieder. Auf eine Weile ging er in den Gang, wo durch das offene Fenster frische Luft hereinströmte. Der volle Mondschein glänzte auf den Steinflies. Etwas Schmeichelndes, Tröstendes lag in dem weichen süßen Glänze. Da kam dem jungen Manne der Einfall, im Zimmer des Kranken dieses Licht sich verbreiten zu lassen, und so begab er sich wieder in die Stube und ließ die niedergelassenen Fenstervorhänge hinauf ... Und es flutete herein, über das Fensterbrett, über den Fußboden, über das Bett, und die weißen Linnen schimmerten blau. Daraus hervor glänzte das abgezehrte Gesicht des Alten ganz blaß – so blaß ... Und die Lippen ganz weiß ... Und auf dem Kasten die leeren Medizinphiolen schillerten ... Der junge Weldein blieb beim Fenster stehen, müd, traurig, ohne Macht. Und jetzt, gerade jetzt, das erste Mal seit der Krankheit seines Vaters, dachte er an etwas anderes als an den Kranken selbst. – Das Bild erschien wieder vor ihm, und er sah sich selbst vor der Staffelei sitzend ... malen. Und Strich für Strich entwarf er es im Geist ... Und er vergaß auf einige Augenblicke alles andere ringsum ... Plötzlich hörte er die Stimme
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