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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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seines Vaters. Er war aufgewacht! – Er sprach! War's möglich? Und noch einmal: »Franz! – Mein Sohn!« – »Du rufst, Vater? Vater!« Und schon stand er beim Bett, die Hand des Kranken ergreifend, der ihn mit großen Augen ansah, aber nichts mehr redete. »Du willst etwas, Vater?«
    Der alte Weldein neigte den Kopf. »Wie? Was meinst du?« fragte Franz. Und er setzte sich auf die Bettstatt, mit fragendem Blicke den Kranken betrachtend. »Ein Wunder, mein Sohn, ein Wunder« – sagte dieser.
    »Wie? Du fühlst dich wieder wohl – gesund?«
    »Nein ... o nein – ich werde sterben ... aber ... oh ... wenn ich's nur sagen kann.« Und er schloß die Augen, holte tief Atem; mit aller Macht schien er das entweichende Leben festhalten zu wollen.
    »Mein Sohn ... komm näher heran ... näher zu meinem Mund ... ein Wunder ... zwanzig Jahre hatte ich's vergessen, in dieser Stunde kommt mir die Erinnerung. Höre ...«
    »Ich höre ...«
    »Franz, du bist reich ... Ein Schatz für dich liegt vergraben.«
    Mitleidig und erschrocken blickte der Sohn auf den Kranken ... nun war es klar: der Alte sprach im Fieber. Aber der merkte den Ausdruck im Antlitz seines Sohnes und sagte: »Ich spreche die Wahrheit ... ein Schatz ... bei der Brücke ... Löwenbrücke ... Ich habe Geld gewonnen ... hab' es vergraben; im Klub hab' ich's gewonnen und dann versteckt.«
    »Im Klub? Du, Geld?«
    »Ja, Graf Spaun ... Du wirst ihn fragen ... er wird es dir erzählen, wie er mich mitnahm eines Abends und ich soviel gewann ... Und getrunken hab' ich – viel – sehr viel ... Und das Geld dann versteckt. Ich habe vergessen, wo ... es war ein Elend ... Du weißt, was für ein Elend es war. Dieses ganze Leben lang ... Und jetzt – jetzt ...«
    Er hatte sich im Bett aufgerichtet; seine Stimme war kräftiger geworden; kräftig selbst der Druck seiner Hand, mit dem er die seines Sohnes umklammert hatte, der atemlos lauschte.
    »Jetzt – plötzlich – wie ich so dalag, ist es wieder in mir aufgewacht. Diese ganze Nacht! Die Brücke, ja! Die Brücke ... Es war dort, ich wußte es ja! Unter der Brücke ... unter den Steinen ... ein Hammer lag daneben ... ich riß das Erdreich auf ... ich vergrub das Geld, und mit dem Hammer schlug ich drauf ... darum rauschte es und hallte wider.«
    »Vater! Wo ist das? Ich verstehe dich nicht! Ein Schatz ... unter der Brücke, wo?«
    »Die Löwenbrücke ... der Weg diesseits unter der Brücke, knapp am Flusse ... zu dieser Jahreszeit zwei Schuh breit vom Wasser weg. Da geht ein schmaler Weg zur Landungsstelle ... gepflastert. Damals wurde eben gearbeitet, es war kaum vollendet. Mit einem Hammer schlug ich das Pflaster auf ... Dort liegt das Geld!«
    »Aber ...!«
    »Du glaubst es nicht. Es ist so ...«
    »Unter der Löwenbrücke?«
    »Unter dem gepflasterten Weg ... gewiß wird es dort sein! ... Ich sehe es. Ich sehe auch, wie ich es unter die Steine legte. Man kann es von dort nicht weggetragen haben, nein ... du wirst es finden, du wirst reich und glücklich sein.«
    »Vater! ... Du träumst noch.«
    »Nein! Ich träume nicht! Ich weiß es.«
    »Nun ja, aber der Weg ist lang unter der Brücke.«
    »O nein, nicht lang ... beim zweiten Pfeiler auf den ersten Schlag mit dem Hammer mußt du's finden.«
    Franz griff sich an den Kopf; er verstand das Ganze noch nicht recht.
    »Mein Sohn ... rasch ... geh hin!«
    »Jetzt?«
    »Ja, jetzt, weil es Nacht ist. Meinen Arbeitskittel nimm ... und den Hammer, der draußen liegt ... neben dem Ofen ... ja ... geh gleich ... ich will es noch sehen ... in ein Tuch ist es eingebunden, Papier und Gold. Geh ... geh!«
    Der Sohn stand auf, seiner Sinne nicht mächtig, er eilte hinaus. Im Vorzimmer nahm er den weißen Arbeitskittel des Vaters vom Haken und den Hammer, der dalag, und verbarg ihn unter dem Rock. Er dachte in diesem Momente an nichts anderes als an den Schatz ... kein Gedanke mehr an den Sterbenden ... vor ihm tanzte und drehte sich das Geld, das Geld ... lichtes, tanzendes Gold! Und er eilte davon. – Die Straßen waren leer, er lief durch sie ... da kam er in jene lange Straße, durch die vor vielen Jahren der alte Weldein das gewonnene Geld getragen ... und bald zur Brücke, auf der er einen Tag später gestanden, verzweifelt und jammernd, während unter seinen Füßen all der Reichtum lag, der ihn selig gemacht hätte. Da also ... und schon stand er am zweiten Pfeiler ... Über ihm wölbten sich die Bogen der Brücke, neben ihm rauschte der Strom hin, die Strahlen des

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