Erzaehlungen
leeres, elendes Leben! Und nach einer Weile rückte er sich den Tisch zum Fenster hin, und auf ein Blatt Papier begann er eine Skizze hinzuwerfen ... Anfangs ging die Arbeit nicht recht von der Hand; als die Stunden weiterrückten, ward es besser. Er empfand es, das mußte was Rechtes werden. Und immer weltvergessener arbeitete er fort, als wäre nichts um ihn, was ihn kümmern könnte. – Das Blatt Papier war zu klein ... er zerriß es, nahm ein größeres und begann von neuem. Und die Begeisterung mit all ihren Wundern kam über ihn ... Die Arbeit ward ihm so leicht, es war gar keine Mühe mehr. Und die Stunden verrannen, der späte Nachmittag war da ... Die Skizze war vollendet ... Ein kleiner Wirtshaustisch, um ihn herum ein paar Trinker und Spieler, das war alles. Und am besten, wie gewöhnlich, war ihm der Ausdruck der Leidenschaften in den Gesichtern gelungen. Er betrachtete sein Werk mit glühenden Augen. Das war wenigstens ein Stück von dem, was er gewollt. Er wandte sich um, sein Vater stand hinter ihm. »Guten Morgen ... Franz«, lallte er.
»Guten Abend« ... erwiderte Franz. –
»Ah – schon Abend ... das war ein gesunder Schlaf.« Er lachte. »Es war lustig gestern ... ja ... Und du hast wieder einmal was gemacht? Laß schauen ... So ...« Er sah die Skizze aufmerksam an ... »So ...« Er wurde ernst ... ein Gefühl von Vaterstolz erwachte in ihm ... »Du, das ist schön, sehr schön ... So was ... Franz ...« Er hielt inne.
»Was meinst du, Vater?«
»So was hab' ich nie getroffen ... auch in besseren Zeiten nicht!«
Und beide, Vater und Sohn, ließen ihre Blicke auf der Skizze weilen.
Nach einer Weile hob der Vater das Bild vom Tisch auf, und es dem Sohne reichend, sagte er: »Du, das aber trag hin ... jedenfalls. Trag's hin in die Akademie.«
V
Ein paar Jahre darauf hing ein kleines Bild des jungen Weldein in der Ausstellung. Man begann von seinem eigenartigen und bedeutenden Talent zu sprechen. Eines befremdete jedoch an ihm: es schien, als könnte er nur Spieler und Trinker malen. Es war wie ein Verhängnis. Er versuchte wohl seine Kunst an anderen Themen; doch keines wollte ihm so recht gelingen. Wie verzweifelt saß er manchmal vor seiner Staffelei, wenn er sein Bild der Liebe, der Seligkeit hinzaubern wollte ... lächerliche Fratzen starrten ihm entgegen, nicht Engelsangesichter. Er mußte sich endlich fügen, ein unsagbarer Zwang waltete über ihm. »Bin ich wahnsinnig«, fragte er sich manchmal, »oder kommt es daher, weil ich selbst jenem Laster verfallen scheine?« ... Und er versuchte seiner selbst Herr zu werden, er wollte dem Wein, den Karten entrinnen. Es war nicht möglich ... ja, sobald er einige Tage sich aus dem Kreise der Freunde zurückgezogen, wo das Spiel und der Trunk winkte, war er wie gebrochen und todesmatt. Es fehlte ihm jedweder Trieb zum Schaffen. Und dann eilte er wieder an den Spieltisch, zu der Flasche ... Und wenn er dann am hellichten Morgen, wie damals, da er seinen Vater auf dem Boden liegend gefunden, nach Hause kam, da war er wieder der große Künstler, der die währe Lust und das wahre Können empfindet. Er mußte sich drein ergeben. Sein Vater war ein alter, kranker Mann geworden. Er blieb in seiner alten Wohnung, während der Sohn sich in derselben Vorstadt ein kleines, lichtes Zimmer im vierten Stock, nahe dem Himmel und dem Licht, gemietet hatte. Zuweilen besuchte ihn der alte Weldein, und müde vom Treppensteigen setzte er sich zum Fenster hin, blieb still da sitzen, während Franz malte oder auf dem Sofa lag und rauchte. Manchmal sprachen sie und klagten ... Der Alte verdiente nur wenig, und bei dem Jungen ging es mit dem Ruhme und dem Reichtum auch nicht rasch genug vorwärts ...
Einige Male sagte der Vater: »Daß du nur solche Dinge malen kannst, daran bin ich schuld. Mein ganzes Blut ist vergiftet, ja, vergiftet.« Der Sohn erwiderte nichts und malte weiter.
Und in der Stille des Gemaches, wenn Weldein so stundenlang dasaß, überwältigte ihn der Gedanke seines Alters schmerzlich und tief. Da vor sich sah er einen, dem auch nichts Besseres beschieden war ... Und das, womit beide hätten glücklich werden können, wo war es? Wie ein Traum zog ihm manchmal jene Nacht durch den Sinn.
Und dann unterbrach der Junge sein Sinnen und erzählte, was er malte ...Jetzt ... eine Spielergesellschaft in einem verrufenen Hause ... ein paar Weiber, die zwischen den Spieltischen stehen, die Champagnergläser in der Hand. Das war bald vollendet. Dann
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