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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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von der holzgetäfelten Decke eine grünbeschirmte Lampe herabhing. Er sprach von dem bevorstehenden Samstagkränzchen im Kursaal und wandte sich mit der Frage an Sabine, ob sie an derlei Veranstaltungen manchmal teilnehme.
    »In den letzten Jahre nicht mehr«, erwiderte Sabine. »Früher, als ich noch jünger war –« Und dem abwehrenden Lächeln des Doktors zur Erwiderung fügte sie gleich und, wie ihm schien, nicht ohne Bedeutung bei: »Ich bin nämlich schon siebenundzwanzig.«
    Der Vater warf eine spöttische Bemerkung über die kleinlichen Verhältnisse des Badestädtchens ein, fing an, mit Lebhaftigkeit vom Zauber der großen Städte und des bewegten Weltlebens zu reden, und aus seinen weiteren Äußerungen war zu entnehmen, daß er früher Opernsänger gewesen war und diese Laufbahn erst lange nach seiner Verheiratung aufgegeben hatte. Während er nun allerlei Namen nannte von Künstlern, an deren Seite er gewirkt, von Gönnern, die ihn hochgeschätzt, und endlich von Ärzten, deren falschen Behandlungsmethoden er den vorzeitigen Verlust seiner Baritonstimme verdankte, leerte er ein Glas nach dem anderen, bis er ganz plötzlich ermüdet schien und mit einem Male einem verbrauchten und alten Manne gleichsah. Nun hielt es der Doktor an der Zeit, sich zu empfehlen. Die Geschwister begleiteten ihn zum Wagen und erkundigten sich ängstlich nach dem Eindruck, den er von ihrem Vater gewonnen hätte. Doktor Gräsler, wenn er sich auch heute schon getrauen wollte, eine ernstere Erkrankung auszuschließen, sprach die Erwartung aus, bald zu weiterer Beobachtung und lieber noch zu einer ordentlichen Untersuchung Gelegenheit zu finden, ohne die er als gewissenhafter Arzt doch nichts Bestimmtes aussagen könnte.
    »Findest du nicht,« wandte sich nun Karl an seine Schwester, »daß der Vater schon lange nicht so gesprächig war wie heute abend?«
    »Das ist wohl wahr,« bestätigte Sabine, – und zu Doktor Gräsler gewendet mit einem dankbaren Blick, »Sie sind ihm gleich sympathisch gewesen – man hat es deutlich merken können.«
    Mit einer bescheidenen Handbewegung wehrte der Doktor ab, versprach auf der Geschwister Bitte, in den nächsten Tagen seinen Besuch zu wiederholen, und stieg ein. Die Geschwister blieben beide noch eine Weile am Straßenrande stehen und schauten dem Wagen nach. Unter einem kühlen Sternenhimmel fuhr der Doktor nach Hause. Sabinens Vertrauen erfüllte ihn mit Befriedigung, und mit einer um so süßeren, als er vermuten durfte, es nicht allein seinen ärztlichen Fähigkeiten zu verdanken. Es war ihm wohl bewußt, daß er, insbesondere in den letzten Jahren, müder und gleichgültiger geworden, seinen Kranken gegenüber es oft genug an wahrer menschlicher Teilnahme hatte fehlen lassen, und nach langer Zeit ging ihm heute wieder einmal die Hoheit eines Berufes auf, den er in verflossenen Jugendjahren zwar mit Begeisterung erwählt, dessen er sich aber gewiß nicht stets auf gleiche Weise innerlich wert erwiesen hatte.

Viertes Kapitel

    Als Doktor Gräsler am nächsten Tag die Tür zu seinem Wartezimmer öffnete, sah er zu seiner Verwunderung unter anderen Patienten Herrn Schleheim sitzen, der als Ersterschienener dem Arzte sofort in den Sprechraum folgte. Der Sänger stellte vorerst die Forderung, daß die Familie niemals von seinem Besuch erfahren dürfte, und war nach erhaltenem Versprechen ohne weiteres bereit, seine Beschwerden vorzutragen und sich einer Untersuchung zu unterziehen. Doktor Gräsler vermochte kein ernstliches körperliches Leiden zu entdecken, doch war eine tiefere seelische Verstimmung unverkennbar, wie sie bei einem Mann nicht überraschend erschien, der in seinen besten Jahren gezwungen war, einen äußerlich glänzenden Beruf aufzugeben, für den er weder in seiner Häuslichkeit und in der Liebe zu den Seinen, noch in eignem inneren Reichtum genügenden Ersatz zu finden verstand. Daß er sich mit jemandem einmal gründlich aussprechen durfte, tat ihm sichtlich wohl. Und so nahm er es gern an, als der Doktor, der erklärte, ihn überhaupt nicht als Patienten betrachten zu können, scherzhaft gewandt um die Erlaubnis ersuchte, bei gelegentlichen Spaziergängen im Forsthaus einsprechen und dort mit ihm plaudern zu dürfen.
    Als er nächsten Sonntag vormittag von dieser Erlaubnis Gebrauch machte, traf er den Sänger vorerst allein an, der ihm sofort mitteilte, daß er es doch für klüger gehalten habe, die »Familie«, wie er sich immer zusammenfassend ausdrückte, von der

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