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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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alle Fälle in die Nähe des Forsthauses dirigiert, und Doktor Gräsler, von den Geschwistern geleitet, schlug einen Feldweg ein, der ganz schmal, so daß eines sich hinter dem andern halten mußte, zuerst zwischen mannshohen Ähren, dann über Wiesengrund in den Wald hineinführte.
    Der Doktor sprach davon, daß er schon sechs Jahre allsommerlich hierherkäme und die Gegend eigentlich doch nicht recht kenne. Dies aber sei nun einmal sein Los. Schon als Lloydarzt habe er meistens nur die Ufer gesehen, bestenfalls die Hafenstädte und deren nächste Umgebung; tiefer ins Land zu streifen, habe der Dienst beinahe immer verwehrt. Da Karl durch wiederholte Fragen sein Interesse für ferne Gegenden und Seereisen kundgab, nannte der Doktor aufs Geratewohl die Namen mancher Küstenorte, in die oder an denen vorüber sein Beruf ihn vor Jahren geführt hatte; und daß er so als eine Art von Weltfahrer gelten durfte, gab seiner Rede eine Lebhaftigkeit und Laune, die ihm sonst nicht immer zu Gebote standen. Von einer Lichtung aus eröffnete sich ein anmutiger Ausblick nach dem Städtchen, von wo das gläserne Dach der Trinkhalle in der Abendsonne heraufglitzerte. Man beschloß, eine Weile zu rasten. Karl streckte sich der Länge nach ins Gras hin, Sabine setzte sich auf einen abgehauenen, entrindeten Baumstamm; Doktor Gräsler aber, der seinen hellgrauen Anzug keinerlei Fährlichkeiten aussetzen wollte, blieb stehen, erzählte von seinen Reisen weiter; seine Stimme, sonst trotz häufigen Räusperns etwas belegt, erklang ihm selbst mit einer neuen oder ihm wenigstens fremd gewordenen Weichheit, und er fand sich mit einer Teilnahme angehört, deren er schon lange nicht genossen hatte. Am Ende erbot er sich, die Geschwister heimzubegleiten, so daß der Vater, wenn er schon zu Hause wäre, ohne weiteres an eine zufällige Begegnung glauben könnte, wodurch dann die Bekanntschaft in der harmlosesten Weise eingeleitet sei. Sabine nickte in einer kurzen, ihr ganz eigenen Art, was dem Doktor eine entschiedenere Zustimmung erschien, als Worte bedeutet hätten. Auf dem sich leicht bergab senkenden, immer breiter werdenden Waldwege war es nun hauptsächlich Karl, der die Unterhaltung führte und Reise-, ja Entdeckungspläne entwickelte, in deren kindlicher Abenteuerhaftigkeit Nachklänge kürzlich gelesener Jugendschriften nicht zu verkennen waren. Früher als der Doktor erwartet hatte, stand man vor dem Gartenzaun, und zwischen den hohen Tannen, in verdämmerndem Weiß schimmerte die Rückseite des Forsthauses mit ihren sechs schmalen, gleichförmigen Fenstern. Auf dem zertretenen Rasen zwischen Haus und Zaun, roh gezimmert, stand ein länglicher Tisch mit Bank und Sesseln.
    Da Karl vorausgelaufen war, um Nachschau zu halten, blieb der Doktor eine Weile mit Sabinen allein unter den Tannen stehen. Sie sahen einander an, der Doktor lächelte etwas verlegen; da Sabine ernst blieb, bemerke er, die Blicke langsam nach verschiedenen Seiten wendend: »Welch ein Friede hier«, und räusperte leise. Karl erschien an einem offenen Fenster und winkte lebhaft. Der Doktor verlieh seinem Antlitz beruflichen Ernst und folgte Sabinen durch den Garten auf die Veranda, wo der Förster und seine Frau sich eben von dem Sohn die Geschichte der nachmittägigen Begegnung berichten ließen. Gräsler, durch die falsche Bezeichnung Förster noch immer irre gemacht, hatte erwartet, sich einem langbärtigen, derben Mann im Jägeranzug mit der Tabakspfeife im Mund gegenüberzusehen und war nun verwundert, als ihn ein schlanker, glattrasierter Herr mit schwarzem, eben erst ergrauendem, sorgfältig gescheiteltem Haar freundlich, aber mit einer irgendwie theatralisch wirkenden Vornehmheit begrüßte. Doktor Gräsler begann damit, den schönen Wald zu preisen, mit dessen ganzer Herrlichkeit ihn erst Karl und Sabine bekanntgemacht hätten; und während sich ein Gespräch über das trotz der reizvollsten Umgebung doch so langsame Aufblühen des Badestädtchens entspann, unterließ Doktor Gräsler keineswegs, an dem Herrn des Hauses seine ärztlichen Beobachtungen anzustellen, vermochte aber vorerst nichts Auffallendes an ihm zu entdecken als eine gewisse Unruhe des Blicks sowie ein oft wiederkehrendes wie verächtliches Zucken der Mundwinkel. Als Sabine das Abendessen meldete, wollte Doktor Gräsler sich verabschieden, doch der Förster, in übertriebener Liebenswürdigkeit, ließ es nicht zu, und so saß der Doktor bald mit Eltern und Kindern am Familientische, über dem

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