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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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den Tisch gebreitet; und da ein Wagen heute nicht zu beschaffen war, so blieb dem Doktor eben nur noch Zeit, rasch eine Tasse Kaffee mit den andern zu trinken, wenn er seine Kranken, die ihn natürlich auch Sonntags nicht entbehren konnten, noch vor dem späten Abend besuchen wollte. Er nahm die Erinnerung an ein Lächeln und an einen Händedruck Sabinens mit sich, deren beglückendes Nachgefühl ihn auch auf noch staubigerer und heißerer Landstraße Langeweile und Beschwerde kaum hätte empfinden lassen.
    Trotzdem hielt er es für richtig, eine Zeit hingehen zu lassen, ehe er sich im Forsthaus wieder sehen ließ. Es wurde ihm leichter, als er gedacht, da sein Beruf ihn auch innerlich wieder zu beschäftigen begann. Er führte nicht nur die Krankengeschichten seiner Patienten auf das sorgfältigste, sondern war auch bemüht, die allmählich entstandenen Lücken seines theoretischen Wissens durch das Studium medizinischer Werke und Zeitschriften so sehr als möglich auszufüllen. Aber wenn er sich auch klar darüber war, daß all dies auf die Wirkung von Sabinens Persönlichkeit zurückzuführen sei, so wehrte er sich doch weiter dagegen, eine ernstliche Hoffnung auf den Besitz des jungen Mädchens in sich aufkommen zu lassen; und selbst wenn er ganz leicht, im Spiel der Gedanken, die Möglichkeit einer Werbung erwog und nun den weiteren Verlauf eines mit Sabinen gemeinsamen Schicksals innerlich zu verfolgen suchte, so erschien ihm ungerufen die in diesem Zusammenhang höchst unliebsame Gestalt des Hoteldirektors aus Lanzarote, wie er den ältlichen Doktor und dessen junge Frau mit einem impertinenten Lächeln an der Türe des Hotels empfing; und diese Erscheinung zeigte sich so regelmäßig, als wäre Lanzarote der einzige Ort, an dem Gräsler im Winter seine Praxis ausüben, und als wäre der Direktor der einzig lebende Mensch, der sein junges Eheglück gefährden könnte.
    Gegen Ende der Woche einmal begegnete Gräsler Sabinen vormittags im Städtchen, wo sie Einkäufe zu besorgen hatte. Sie fragte ihn, warum er sich so lange nicht sehen ließe. »Es kommen so wenig Menschen zu uns,« sagte sie, »und mit wenigen läßt sich was Gescheites reden. Das nächste Mal müssen Sie uns auch mehr aus Ihrem Leben erzählen. Man möchte doch auch was von all den Dingen zu hören bekommen!« Ihre Augen erglänzten in milder Sehnsucht.
    »Wenn Sie glauben, Fräulein Sabine, daß das Leben draußen in der Welt soviel Interessantes zu bieten hat, wie kommt's nur, daß Sie hier so in der Stille sitzen?«
    »Es wird vielleicht nicht immer so bleiben«, erwiderte sie einfach. »Und es war ja einmal schon ein wenig anders. Im übrigen wünsche ich mir's für die Gegenwart kaum besser, als ich's habe.« Und die Sehnsucht in ihren Augen war verglommen.

Fünftes Kapitel

    Seinen nächsten Besuch im Forsthause unternahm Doktor Gräsler nicht ganz unvorbereitet. Aus seinen Erinnerungen hatte er allerlei zusammengesucht, das des Erzählens wert erscheinen mochte, und war freilich anfangs ein wenig betrübt gewesen, daß ein äußerlich leidlich bewegtes Leben bei näherer Betrachtung an eigentlichem Inhalt sich so ärmlich erwies. Immerhin gab es den einen oder den andern Vorfall, der einem Abenteuer zum mindesten recht ähnlich sah. So hatte er auf einer Südseeinsel einen kleinen Überfall durch Eingeborene mitgemacht, bei welcher Gelegenheit sogar ein Schiffsleutnant getötet worden war; der Selbstmord eines Liebespaares auf hoher See, ein Zyklon in den indischen Gewässern, die Landung in einem japanischen Küstenort, der tags zuvor durch ein Erdbeben zerstört worden war, die Nacht in einer Opiumhöhle, deren Abschluß man allerdings zum Vortrag im Familienkreis ein wenig verändern mußte, all dies mochte sich anregend genug berichten lassen; überdies waren ihm manche seiner Patienten aus Badeorten – Hochstapler, Sonderlinge, sogar ein russischer Großfürst, der im Winter darauf ermordet worden war und es vorhergeahnt hatte – mit genügender Deutlichkeit im Gedächtnis geblieben. Und als er an einem linden Sommerabend bei Schleheims, lässig an die Brüstung der Veranda gelehnt, auf eine zufällige Frage Karls hin zu erzählen anfing, da merkte er, daß ihm während des Erzählens manche seiner verblaßten Erinnerungen heller und lebendiger wurden, daß allerlei längst Vergessenes aus der Tiefe seiner Seele emporstieg; und in irgendeinem Augenblick war er sogar von einer ihm bisher unbekannt gebliebenen Fähigkeit

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