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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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verabschieden, der übrigens diese Haltung höchst gleichgültig aufnahm. Im Forsthause desselben Abends hielt er es für richtig, von seinem Besuch in der Anstalt keine Erwähnung zu tun; doch schon am nächsten Tage nahm er den Baumeister Adelmann, seinen täglichen Tischgenossen aus dem »Silbernen Löwen«, mit sich in das Sanatorium, um einen Fachmann zu hören. Es erwies sich, daß weniger eingreifende und kostspielige Veränderungen notwendig waren, als Doktor Gräsler gefürchtet hatte, ja der Baumeister wollte jede Verantwortung dafür übernehmen, daß sich die Anstalt am ersten Mai nächsten Jahres wie neu präsentieren würde. Doktor Gräsler spielte weiter den Zögernden und entfernte sich mit dem Baumeister, der nun, unter vier Augen, ihm mit noch größerer Entschiedenheit zu dem vorteilhaften Kaufe zuredete.
    Am selben Abend noch, der heute wieder einmal von wahrhaft sommerlicher Wärme war, mit Sabinen und ihren Eltern auf der Veranda des Forsthauses sitzend, begann er wie beiläufig von seiner Unterredung mit Doktor Frank zu erzählen, die er als eine zufällige darstellte, indem er nämlich mit dem Baumeister eben am Tor der Anstalt vorbeigegangen sei, als der Besitzer heraustrat. Herr Schleheim, dem die Kaufbedingungen höchst günstig schienen, riet geradezu, Doktor Gräsler sollte schon für heuer auf die Winterpraxis im Süden verzichten, um eine so wichtige Angelegenheit gleich hier an Ort und Stelle weiter zu betreiben. Davon aber wollte Doktor Gräsler durchaus nichts wissen. Er könne seine Verbindlichkeiten in Lanzarote nicht so ohne weiteres lösen; und wenn er die Sache hier einem tüchtigen Manne, wie es der Baumeister doch sei, überließe, dürfe er sich wohl beruhigt fortbegeben. Nun erbot sich Sabine in ihrer einfachen Art, während Gräslers Abwesenheit die Arbeiten zu überwachen und ihm regelmäßig über den Fortgang Bericht zu erstatten. Die Eltern begaben sich bald, wie auf Verabredung, ins Haus, und Sabine ging mit dem Doktor, wie sie es gern zu tun pflegte, in der Tannenallee, die vom Haus zur Straße führte, langsam auf und ab. Sie hatte allerlei kluge Vorschläge für die Umgestaltung des alten Gebäudes bereit, die beinahe vermuten ließen, daß sie sich mit dieser Frage schon früher beschäftigt hatte. Für unerläßlich hielt sie übrigens die Anstellung einer Dame, einer wirklichen Dame, wie sie hinzufügte, als oberster Hausverwalterin; denn offenbar wäre es eine solche Oberaufsicht von gewissermaßen gesellschaftlichem Charakter, die der Anstalt im Laufe der letzten Jahre vor allem gefehlt habe. Nun war das Wort gesprochen – Doktor Gräsler fühlte es mit klopfendem Herzen – an das er anknüpfen durfte und mußte; ja schon glaubte er sich dazu bereit, als Sabine, wie wenn sie ihn selbst daran verhindern wollte, ungewohnt hastig ergänzte: »Das machen Sie am besten durch die Zeitung. Ich würde an Ihrer Stelle sogar eine Reise nicht scheuen, um eine geeignete Person für diesen wichtigen Posten zu gewinnen. Sie haben ja jetzt eine ganze Menge Zeit zur Verfügung. Ihre Patienten sind fast schon alle fort, nicht wahr? ... Wann gedenken Sie denn eigentlich abzureisen?«
    »In – vier bis fünf Tagen. Vor allem muß ich aber natürlich nach Hause, in meine Vaterstadt, meine ich. Meine Schwester hat kein Testament hinterlassen; es wird notwendig sein, so schreibt mir auch mein alter Freund Böhlinger, verschiedenes an Ort und Stelle ins reine zu bringen. Vorher aber will ich die Anstalt noch einmal bis ins kleinste besichtigen. Eine endgültige Entscheidung werde ich keineswegs treffen können, ehe ich mit meinem Freund Böhlinger gesprochen habe.« So redete er noch eine ganze Weile hin und her, vorsichtig und ungeschickt zugleich, und immer höchst unzufrieden mit sich selbst, denn er verhehlte sich nicht, daß Klarheit und Bestimmtheit sich in dieser Stunde besser geziemt hätten. Da Sabine völlig verstummt war, hielt er es für das Klügste, sich unter dem Vorwande eines Krankenbesuches zu verabschieden, ergriff Sabinens Hand, hielt sie eine Weile gefaßt, führte sie mit einemmal an seine Lippen und drückte einen langen Kuß darauf. Sabine ließ es geschehen; und als er aufblickte, schien ihm der Ausdruck ihrer Mienen befriedigter, ja heiterer als vorher. Er wußte, daß er nun nichts mehr sprechen durfte, ließ ihre Hand los, stieg in den Wagen, zog den Plaid über seine Knie und fuhr davon. Und als er sich umsah, stand Sabine noch immer da, im matten

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