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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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Lichtschein, regungslos. Doch es war, als schaute sie anderswohin, in die Nacht, ins Leere, keineswegs nach der Richtung, in der er ihr allmählich entschwand.

Siebentes Kapitel

    Am nächsten Vormittag schon, in trübseligem Regengeriesel, begab sich Doktor Gräsler ohne rechte Freude, beinahe pflichtgemäß, in die Anstalt, ließ sich zum drittenmal durch die Räume fuhren, mußte sich aber diesmal mit der Begleitung eines sehr jungen Assistenzarztes begnügen, dessen allzu beflissene Höflichkeit nicht so sehr dem älteren Kollegen, als dem vermuteten künftigen Direktor gelten mochte, und der jede Gelegenheit benützte, seine Vertrautheit mit den allermodernsten Heilmethoden durchscheinen zu lassen, zu deren Anwendung nur vorläufig leider jede Möglichkeit fehle. Dem Doktor Gräsler erschien das ganze Gebäude noch vernachlässigter, der Garten noch ungepflegter als gestern, und als er endlich in dem kahlen Bureau dem Besitzer gegenübersaß, der zwischen Rechnungen und Amtspapieren eben sein Frühstück verzehrte, erklärte er, sich eine Entscheidung bis nach seiner Rückkehr aus der Vaterstadt, das wäre in etwa drei Wochen, vorbehalten zu müssen. Der Besitzer nahm dies mit gewohnter Gleichgültigkeit auf und bemerkte nur, daß er sich selbstverständlich gleichfalls nicht für gebunden erachte. Gräsler wandte nichts weiter ein und fühlte sich geradezu befreit, als er wieder auf der Straße stand und dann mit aufgespanntem Schirm dem Städtchen zuschritt. Schwere Regentropfen flössen vom Schirmrand rings um ihn her, und alle Hügel standen tief im Nebel. Überdies war es so kühl geworden, daß ihm die Finger zu frieren anfingen und er, mit einiger Mühe den Schirm über sich haltend, sich die Handschuhe anziehen mußte. Mißbilligend schüttelte er den Kopf. Es war doch sehr fraglich, ob er sich überhaupt noch gewöhnen könnte, Spätherbst und Winter statt im Süden in der mit Unrecht sogenannten gemäßigten Zone zu verbringen, und fast wünschte er Sabinen schon heute abend mitteilen zu können, daß ihm das Sanatorium sozusagen vor der Nase von einem flinkeren, aber wahrlich nicht beneidenswerten Käufer weggeschnappt worden sei.
    In seiner Wohnung fand er einen Brief vor, der auf der Adresse die Handschrift Sabinens zeigte. Er fühlte, wie ihm das Herz plötzlich stille stand. Was hatte sie ihm zu schreiben? Es konnte nur eines sein. Sie bat ihn, nicht mehr zu kommen. Der Handkuß gestern, er hatte es ja gleich gefühlt, der hatte alles verdorben. Solche Dinge standen ihm nun einmal nicht zu Gesicht. Er mußte unsäglich lächerlich gewesen sein in jenem Augenblick. Der Umschlag war plötzlich offen, Gräsler wußte selbst nicht wie, und er las:
    »Lieber Freund! So darf ich Sie doch wohl nennen, nicht wahr? Heute abend kommen Sie wieder, und Sie sollen diesen Brief noch früher haben. Denn wenn ich Ihnen nicht schreibe, wer weiß, ob Sie nicht heute abend geradeso fortgehen, wie Sie alle diese Tage und Abende von mir fortgegangen sind, und endlich wären Sie abgereist und hätten nichts gesprochen und sich am Ende noch eingebildet, daß es sehr klug und recht von Ihnen gewesen ist. So bleibt mir denn nichts übrig, als selbst zu sprechen, oder vielmehr, da ich ja das doch nicht über mich brächte, Ihnen zu schreiben, was mir auf der Seele liegt. Also, lieber Herr Doktor Gräsler, mein lieber Freund Doktor Gräsler, hier schreibe ich es her, und Sie werden es lesen, und Sie werden sich vielleicht ein wenig freuen und werden es hoffentlich nicht unweiblich finden, und ich fühle, daß ich es niederschreiben darf – ich habe nichts dagegen, gar nichts, falls Sie mich etwa fragen wollten, ob ich Ihre Frau werden möchte. Da steht es nun einmal. Ja, ich will gern Ihre Frau werden. Denn ich empfinde eine so tiefe, herzliche Freundschaft zu Ihnen, wie noch zu keinem Menschen, den ich gekannt habe. Liebe ist es wohl nicht. Noch nicht. Aber gewiß irgend etwas, was sehr nahe daran ist und es sehr wohl einmal werden könnte. Die letzten Tage, wenn Sie vom Abreisen sprachen, da ist mir wahrhaftig ganz sonderbar ums Herz geworden. Und als Sie heute abend meine Hand küßten, das war sehr schön. Aber als Sie dann davonfuhren, ins Dunkel hinein, da war mir mit einemmal, als wäre es aus, und ich hatte eine wahre Angst, daß Sie nie mehr zu uns wiederkommen wollten. Nun, das ist natürlich schon vorüber. Das sind so Nachtgedanken, nicht wahr? Ich weiß, Sie kommen wieder. Morgen abend schon. Ich weiß ja

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