Erzählungen
Vorschlag, einen Vertheidiger der Sklaven zu befreien und gegen die Conföderirten, seine Handelsfreunde, zu agiren, mit solcher Indignation aufnahm.
Gleichwohl konnte er sich die Insinuationen Crockston’s nicht ganz aus dem Sinn schlagen, und als Miß Jenny am folgenden Morgen ein wenig auf das Verdeck kam, konnte er ihr nicht gerade in das Gesicht schauen.
Und abgesehen von allem Andern, war das schade, denn das junge Mädchen sah mit ihrem hübschen blonden Haar und dem sanften, verständigen Blick so lieblich aus, daß sie immerhin einen wohlgefälligen Blick von dem dreißigjährigen jungen Mann verdient hätte. Aber James konnte sich in ihrer Gegenwart einer gewissen Verlegenheit nicht erwehren; er fühlte, daß sie eine große, edelmüthige Seele besaß, die in der Schule des Unglücks gereist war, und begriff, daß sein Schweigen dem jungen Mädchen gegenüber die Verweigerung ihrer liebsten Wünsche bedeutete. Was Miß Jenny anbetraf, so suchte sie den Kapitän weder auf, noch vermied sie ihn; doch kam sie während der ersten Tage überhaupt sehr wenig aus ihrer Cajüte heraus und wäre wohl nie auf den Gedanken gekommen, James Playfair anzureden, hätte nicht Crockston eine Kriegslist ersonnen, um die beiden Parteien einander zu nähern.
Der würdige Amerikaner war, wie schon erwähnt, ein treuer Diener der Familie Halliburli; er hatte von Jugend auf im Hause seines Herrn gelebt und war ihm und der Familie desselben grenzenlos ergeben. Verstand und Muth waren seinem Geiste in eben so hohem Maße eigen, wie seinem Körper die Kraft; außerdem wohnte ihm eine gewisse Elasticität bei, die ihn die Ereignisse dieses Lebens mit einer besondern Philosophie anschauen ließ und die Entmuthigung von vornherein aus seinem Geistesleben verbannte. Selbst den ungünstigsten Conjuncturen pflegte Crockston noch eine gute Seite abzugewinnen, und überall wußte er sich aus der Affaire zu ziehen.
Dieser Mann nun hatte es sich in den Kopf gesetzt, Mr. Halliburli zu befreien, zu seiner Rettung den Delphin und Kapitän Playfair zu benutzen und dann nach England zurückzukehren. So dachte er, wenn auch das junge Mädchen keinen andern Zweck hatte, als ihren Vater aufzusuchen und seine Gefangenschaft zu theilen. Crockston hatte deshalb den Plan gefaßt, den Kapitän entschiedener in die Angelegenheit zu verflechten, und wie wir bereits gesehen haben, eine erste Salve bereits abgefeuert, freilich bis jetzt ohne den gewünschten Erfolg.
»Miß Jenny und der Kapitän müssen sich durchaus verständigen, brummte er vor sich hin; wenn sie während der ganzen Fahrt in dieser Weise mit einander schmollen, kann nichts aus meinem Plan werden. Sprechen müssen sie und mit einander discutiren und streiten; vor allen Dingen aber muß er mit ihr plaudern, und ich will mich hängen lassen, wenn James Playfair nicht im Lauf der Unterhaltung dazu kommt, selbst das vorzuschlagen, was er mir verweigert hat.«
Als aber Crockston sah, daß Jenny und Playfair sich gegenseitig aus dem Wege gingen und vermieden, gerieth er mehr und mehr in Verlegenheit.
»Wie wär’s, wenn man die Sache forcirte?« fragte er sich. Und am Morgen des vierten Tages trat er selbstzufrieden lächelnd und sich die Hände reibend in die Cajüte von Miß Halliburli.
»Gute Nachricht, Miß, gute Nachricht! Wenn Sie wüßten, was der Kapitän soeben mit mir für Pläne geschmiedet hat! Wirklich ein sehr vortrefflicher junger Mann, sehr brav, wirklich!
– Wie, rief Jenny, deren Herz heftig zu klopfen begann, er hat mit Dir über unsere Angelegenheiten gesprochen und mit Dir Pläne gemacht? …
– Mr. Halliburli zu befreien, ihn den Conföderirten zu entführen und dann mit ihm nach England überzusetzen.
– Ist das wirklich wahr? rief Jenny aus.
– Wie ich Ihnen schon sagte, Miß; ein edles Herz, dieser Kapitän Playfair! Aber so sind die Engländer, entweder ganz gut oder ganz schlecht. Nun, auf meine Dankbarkeit kann er rechnen, ich würde mich von jetzt an für ihn in Stücke hauen lassen, wenn er’s wünschen sollte.«
Jenny war innig erfreut, als sie Crockston so reden hörte. Sie hätte nie gewagt, einen Plan zur Befreiung ihres Vaters zu machen, und jetzt wollte gar der Kapitän des Delphin sein herrliches Schiff nebst Mannschaft auf’s Spiel setzen, um ihr dazu behilflich zu sein!
»Ja, so ist er, fügte Crockston noch schließlich hinzu, und ich dächte, Miß Jenny, solch Benehmen wäre schon einen Dank von Ihrer Seite werth.
– O mehr, viel
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