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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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spät.
    Fee Firmenta streckt nämlich noch einmal ihren Zauberstab aus, und ein grauenvolles Gebrüll verbreitet sich wie Donnergrollen im Raum.
    Die Sphinx hat sich in einen Löwen verwandelt.
     

    Und in was für einen! Seine Mähne sträubt sich, seine Augen sprühen Funken, die ungeheuren Kiefer öffnen und schließen sich und beginnen ihr Kauwerk … Im Nu werden die Garden des Prinzen Kissador von den Zähnen des schrecklichen Tieres zermalmt.
    Da springt die Fee Firmenta leichtfüßig auf den Boden. Zu ihren Füßen kauern sich Tigerin, Bär und Pantherin hin, wie die Raubtiere zu Füßen der Dompteuse, die sie mit ihrem Blick beherrscht.
    Und seit dieser Zeit ist die Sphinx der Löwe von Romiradur.
XII
    Einige Zeit ist vergangen. Die Familie Raton hat endgültig menschliche Form angenommen – mit Ausnahme des Vaters, der, immer noch gleichermaßen gichtig wie philosophisch veranlagt, Ratte geblieben ist. An seiner Stelle wären andere verärgert gewesen, hätten die Ungerechtigkeit des Schicksals beklagt, das Leben verflucht. Er begnügte sich zu schmunzeln, glücklich, wie er meinte, nichts an seinen Gewohnheiten ändern zu müssen.
    Wie dem auch immer sei, auch als Ratte ist er jedenfalls ein reicher vornehmer Herr. Da seine Gattin nicht zugestimmt haben würde, in seinem alten Käse von Rattopolis zu wohnen, besitzt er in einer großen Stadt, der Hauptstadt eines mal wieder unbekannten Landes, ein prunkvolles Haus, ohne daß er darauf sonderlich stolz wäre. Den Stolz, oder eher noch den Hochmut, überläßt er Madame Ratonne, die Herzogin geworden ist. Es lohnt sich schon zuzuschauen, wie sie durch die Gemächer wandelt und die Spiegel noch vor lauter Hineinsehen abnutzen wird!
    An diesem Tag hat Raton überdies sein Fell mit der größten Sorgfalt gebürstet und soviel Toilette angelegt, wie man das von ihm nur erwarten kann.
     

    Die Herzogin hat sich mit dem schönsten Putz aufgetakelt: einem Kleid, auf dem sich frappierter Samt, Crêpe de Chine, Surah, Plüsch, Satin, Brokat und Moiré vermischen; einer Bluse à la Heinrich II.; einer mit Gagat, Saphiren und Perlen bestickten Schleppe, die einige Ellen lang ist und die verschiedenen Schwänze ersetzt, die sie trug, bevor sie Frau geworden; mit Diamanten, die Funken sprühen; Spitzen, die die kunstfertige Arachne nicht zierlicher und reicher hätte herstellen können; einem Rembrandt-Hut, auf dem sich eine ganze Parterre-Auslage Blumen auftürmt; kurzum, mit allem, was der letzte Schrei der Mode ist.
    Aber, werdet ihr fragen, weshalb diese Üppigkeit in der Ausstattung? Aus folgendem Grund:
    Heute wird man in der Kapelle des Palastes die Hochzeit der bezaubernden Ratine mit dem Prinzen Ratin feiern. Jawohl, er ist Prinz geworden, um seiner Schwiegermutter einen Gefallen zu tun. – Wie? – Indem er sich eine Fürstenschaft gekauft hat. – Schön und gut! Mögen die Fürstenschaften im Preis auch sinken, müssen sie doch immer noch recht teuer sein? … – Sicher, und Ratin hat für diese Anschaffung auch einen Teil des Preises seiner Perle aufgewandt – ihr werdet sie nicht vergessen haben, jene gewaltige Perle aus Ratines Auster, die mehrere Millionen wert war!
    Nun ist er also reich! Glaubt aber nicht, daß der Reichtum sein Denken verändert hätte oder das seiner Verlobten, die jetzt durch Heirat Prinzessin wird. O nein! Wenn ihre Mutter auch Herzogin ist, ist sie immer noch das bescheidene junge Mädchen, als das ihr sie kennt, und der Prinz ist in sie verliebter als je zuvor. Wie hübsch ist sie in ihrem weißen, mit Orangenblüten umrankten Kleid!
    Selbstverständlich ist auch die Fee Firmenta gekommen, um an der Hochzeit teilzunehmen, die ein wenig ja ihr Werk ist.
    Es ist also ein großer Tag für die ganze Familie. Auch Rata sieht prächtig aus. In seiner Eigenschaft als Ex-Koch ist er folgerichtig Politiker geworden. Nichts Schöneres als sein Abgeordnetenanzug, der ihm eine Menge Geld gekostet haben muß, denn wenn er ihn umwendet, kann man ihn als Senatorenfrack tragen – was sehr vorteilhaft ist.
    Ratane ist zu ihrer großen Genugtuung keine Gans mehr: Sie ist Gesellschaftsdame geworden. Ihr Gemahl hat sich seine demütigenden Verhaltensweisen von damals verzeihen lassen. Er ist ihr wieder ganz zugetan und zeigt sich sogar ein wenig eifersüchtig auf die Herrschaften, die um seine Gattin herumscharwenzeln.
    Was den Vetter Raté anbetrifft … aber der wird gleich hereinkommen, und dann könnt ihr ihn mit Muße betrachten.
    Die

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