Erzählungen
den Ball mit einer Quadrille eröffnet, den die Herzogin Ratonne im Arm eines Edelmannes von königlichem Blute zubrachte. Herr Rata beteiligte sich zusammen mit der Gemahlin eines Botschafters, und Ratane wurde von dem eigenen Neffen eines Kurfürsten geführt.
Vetter Raté zögerte lange, ehe er sich in den Trubel stürzte. Obwohl es ihm schwerfiel, sich beiseite zu halten, wagte er nicht, die charmanten Damen aufzufordern, denen er so gerne seinen Arm angeboten hätte, statt ihnen nur die Hand zu reichen. Endlich entschloß er sich zum Tanz mit einer lieblichen Gräfin von bemerkenswerter Vornehmheit. Diese liebenswürdige Dame nahm an … ein wenig unüberlegt vielleicht, und schon sah man das Paar mitten im Wirbel eines Gunglschen Walzers.
Ach, welche Wirkung! Bald schon war der Teufel los! Umsonst hatte Vetter Raté seinen Eselsschwanz unterm Arm festhalten wollen, wie es die Walzertänzerinnen mit ihrer Schleppe tun. Von einer zentrifugalen Bewegung ergriffen, entgleitet ihm der Schwanz. Und da spannt er sich wie ein Riemen und geißelt die tanzenden Paare, windet sich um ihre Beine, verursacht die bloßstellendsten Stürze und schließlich auch den des Marquis Raté und der lieblichen Gräfin.
Vor Scham halb ohnmächtig mußte sie hinfortgetragen werden, während Vetter Raté die Flucht ergriff, so schnell er konnte, mit dem – freilich verspäteten – Schwur auf den Lippen, daß es ihm nie wieder passieren sollte, seinen Schwanz in eine Tanzgesellschaft hineinzustecken!
Dieser possenhafte Zwischenfall setzte dem Fest ein Ende, und ein jeder zog sich zurück, als das Feuerwerk auf seinem Höhepunkt eine betörende Feuergarbe in die Tiefe der Nacht ergoß.
XIV
Das Zimmer von Prinz Ratin und Prinzessin Ratine ist sicher eines der schönsten im Palast. Betrachtet es der Prinz nicht als Schmuckkästchen für das unschätzbare Juwel, das er besitzt? Umsonst würde ich es zu beschreiben versuchen. Stellt es euch so herrlich vor, wie ihr nur könnt, meine lieben Kinder, und ihr werdet die Wirklichkeit noch immer nicht erreichen! Dorthin wird man das junge Ehepaar mit viel Aufhebens führen.
Doch bevor sie hineingeführt werden konnten, haben schon zwei andere Personen in dies Zimmer eindringen können, ohne bemerkt worden zu sein.
Und diese beiden Personen, ihr werdet es erraten haben, sind der Prinz Kissador und der Zauberer Gardafur. Hört einmal zu, was sie wieder im Schilde führen:
»Du weißt, was du mir versprochen hast, Gardafur!«
»Ja, mein Prinz, und diesmal wird uns nichts daran hindern, Ratine für Eure Hoheit zu entführen.«
»Ich zähle darauf, und wenn sie erst Prinzessin von Kissador ist, glaube ich kaum, daß sie Anlaß haben wird, das zu bedauern.«
Ihr seht, welch hohe Meinung der Dummkopf immer noch von sich hat. Es gibt eben unverbesserliche Naturen.
»Ganz meiner Meinung«, antwortet der Schmeichler Gardafur.
»Bist du auch sicher, daß du heute Erfolg haben wirst?« beginnt der Prinz aufs neue.
»Seht selbst!« antwortet Gardafur und zieht seine Uhr hervor. »In drei Minuten ist die Zeit, während der ich meiner Zaubermacht enthoben bin, abgelaufen. In drei Minuten ist mein Zauberstab ebenso mächtig wie der von Fee Firmenta, doch auf andere Art. Wenn es Fee Firmenta vermochte, die Mitglieder der Familie Raton in den Rang menschlicher Wesen zu heben, kann ich sie in den Rang der niedersten Tiere zurückversetzen!«
»Gut, Gardafur, ich verlasse mich auf dich, um aus ihnen Vieh zu machen! …«
»Zu Euren Diensten, mein Prinz!«
»Ich verlange aber, Gardafur, daß Ratin und Ratine in diesem Zimmer keinen Augenblick alleine bleiben.«
»Das werden sie auch nicht, wenn ich vor ihrer Ankunft meine ganze Macht wiedererlangt habe!«
»Und wie lange dauert das noch?«
»Zwei Minuten! …«
»Noch zwei Minuten! … Und da sind sie schon, sie steigen die Treppe hoch …«
»Schnell, mein Prinz, zieht Euch zurück«, antwortet Gardafur. »Ich werde mich in diesem Gemach verstecken und zur rechten Zeit erscheinen. Und Ihr bleibt hinter dieser großen Tür und öffnet sie erst, wenn ich rufe: ›Zu dir, Ratin!‹ Dann werdet Ihr ein komisches Spektakel erleben!«
»Abgemacht, aber daß du mir meinen Rivalen ja nicht verschonst!«
»Ihr sollt zufrieden sein!«
Und beide verschwanden.
Ihr seht, welch große Gefahr diese ehrbare, schon so leidgeprüfte Familie immer noch bedroht, die nicht ahnen kann, daß Prinz und Zauberer so nahe sind!
XV
Gerade sind die jungen Eheleute
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