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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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unglückliche Peru ist, geschädigt, und der ganze Nutzen jener Empörungen, welche Indianer und Spanier verderben, nur den Mestizen zufallen wird!
    – Wir werden unser Vaterland retten! sagte lebhaft Martin Paz.
    – Ja wenn Ihr die Euch zugefallene Aufgabe richtig erfaßt! antwortete Don Vegal. Hören Sie mich an, der Sie fast wie einen Sohn liebt. Ich gestehe es mit Schmerzen, doch wir Spanier, die entarteten Nachkommen eines mächtigen Volkes, sind nicht im Stande, einen Staat wieder aufzurichten. An Euch ist es, über diesen verderblichen Amerikanismus zu siegen, der jeden ausländischen Colonisten von uns fern zu halten strebt. O, merkt es Euch: Nur eine europäische Einwanderung vermag das alte Peru noch zu retten. An Stelle des Bürgerkrieges, den Ihr vorbereitet, und der alle Kasten, mit Ausnahme einer einzigen, von der Herrschaft auszuschließen sucht, reicht lieber entgegenkommend der fleißigen Bevölkerung der Alten Welt die Händel.
    – Die Indianer, Señor, werden in jedem Fremden, wer er auch sei, einen Feind sehen, und niemals leiden, daß man ungestraft die Luft ihrer Berge athme. Die Herrschaft, welche ich jetzt über sie ausübe, wird an dem Tage ohnmächtig sein, wo ich nicht den Tod ihrer Unterdrücker schwöre. – Und doch? – Was bin ich jetzt? fügte Martin Paz sehr bekümmert hinzu. Ein Flüchtling, der in den Straßen Limas nicht drei Stunden lang zu leben hätte!
    – Sie müssen mir versprechen, Freund, nach Lima nie zurückzukehren.
    – O, kann ich das, Don Vegal? Aus meinem Herzen käme dieses Versprechen nicht.«
    Don Vegal versank in Gedanken. Die Leidenschaft des jungen Indianers wuchs von Tag zu Tag. Der Marquis fürchtete, daß er einem gewissen Tode entgegengehe, wenn jener sich in Lima wieder blicken ließe … Er vereinigte alle Wünsche und all seinen Einfluß in dem einen Ziele, die Heirat der Jüdin zu beschleunigen.
    Um sich selbst von dem Stande der Angelegenheit zu überzeugen, verließ er eines Morgens Chorillos und begab sich nach der Stadt. Dort vernahm er, daß Andreas Certa von seiner Wunde wieder vollkommen genesen war und seine bevorstehende Hochzeit den Gegenstand jeder Unterhaltung bildete.
    Don Vegal wollte das junge Mädchen, das Martin Paz so bezaubert hatte, kennen lernen. Er suchte also gegen Abend die Plaza-Mayor auf, wo eine zahlreiche Menge lustwandelte. Dort begegnete er dem Pater Joachim, seinem langjährigen Freunde. Wie erstaunte der Priester, als ihm der Marquis von der Rettung Martin Paz’ Mittheilung machte, mit welchem Eifer versprach er, über den jungen Indianer zu wachen, und dem Marquis alle Neuigkeiten, die ihm von Interesse sein könnten, zu übermitteln.
     

    Der Tag der allgemeinen Schilderhebung ist nicht mehr fern. (S. 238.)
     
    Plötzlich fielen Don Vegal’s Blicke auf eine junge, von einer schwarzen Mantilla verhüllte Dame, welche malerisch in einem Wagen lehnte.
    »Wer ist diese schöne Dame? fragte er den Pater Joachim.
    – Das ist Andreas Certa’s Braut, die Tochter des Juden Samuel.
    – Sie? Die Tochter des Juden!«
    Kaum vermochte der Marquis sein Erstaunen zu verbergen. Hastig drückte er des Priesters Hände und schlug den Weg nach Chorillos wieder ein.
    Sein Erstaunen wird erklärlich, denn er hatte in Der, die man für eine Jüdin ansah, das junge Mädchen wieder erkannt, die er wenige Tage vorher in der Kirche Santa-Anna betend antraf.
V.
    Nach Vertreibung der columbischen Truppen aus dem unteren Peru erfreute sich das bisher immer von Militär-Revolutionen erschütterte Land einer verhältnißmäßigen Ruhe.
     

    »Wer ist diese schöne Dame?« (S. 239.)
     
    Der Ehrgeiz Einzelner trat nicht mehr so rücksichtslos zu Tage, und der Präsident schien in seinem Palaste am Plaza-Mayor unerschütterlich zu residiren. Von dieser Seite war demnach nichts zu fürchten, doch die wirkliche und nahe liegende Gefahr drohte nicht durch jene Revolutionen, welche ebenso schnell erstickt wurden, wie sie aufflackerten, und die dem Geschmacke der Amerikaner an militärischen Paraden zu entsprechen schienen.
    Die eigentliche Gefahr entging den Spaniern, welche zu hoch standen, um sie wahrzunehmen, und der Aufmerksamkeit der Mestizen ebenso, da diese niemals unter sich blicken wollten.
    Und doch war unter den Indianern der Stadt, die oft mit denen aus den Bergen zusammenkamen, eine auffallende Bewegung. Diese Leute schienen ihre gewohnte Apathie ganz verloren zu haben. Statt sich in ihren Puncho zu hüllen und sich im Nichtsthun

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