Erzählungen
das Land unserer Vorfahren zu setzen. Diese reichen Käuze sind es nicht, welche den Sohn Manco-Capac’s in’s Grab geschleppt haben. Nein! Das waren die hochmüthigen Spanier, die eigentlichen Sieger, deren Sclaven Ihr seid. Wenn sie jetzt keine Reichthümer besitzen, so haben sie doch die Gewalt, und trotz der peruanischen Emancipation treten sie unsere Rechte mit Füßen. Vergessen wir also, was wir sind, um uns zu erinnern, was unsere Väter waren!
– Ja, ja!« riefen Alle und trommelten beistimmend mit den Füßen.
Nach wenigen Minuten des Schweigens versicherte sich Sambo durch Nachfragen bei mehreren Mitverschworenen, daß ihre Freunde in Cusco und ganz Bolivia bereit waren, sich wie Ein Mann zu erheben.
Dann fuhr er feuriger fort:
»Und unsere Brüder in den Bergen, wackerer Manangani, wenn ihr Herz von Haß erfüllt ist, gleich dem Deinen, mit einem Muthe gleich dem Deinen, werden sie nicht aus den Höhen der Cordilleren wie eine Lawine über Lima herfallen?
– Der Sambo wird sich an dem bestimmten Tage über ihre Unerschrockenheit nicht zu beklagen haben, antwortete Manangani. Wenn der Sambo die Stadt verläßt, soll er nicht weit zu gehen haben, ohne ringsum rachedürstende Indianer sich erheben zu sehen. In den Schluchten von San-Cristoval und der Amancaës deckt mehr als Einen der Puncho, den Dolch im Gürtel, der nur darauf wartet, daß seiner Hand ein Gewehr anvertraut werde! Auch diese haben es nicht vergessen, daß sie die Niederlage Manco-Capac’s an jenen Spaniern zu rächen haben.
– Gut, Manangani, erwiderte der Sambo. Das ist der Gott des Hasses, der aus Deinem Munde spricht! Meine Brüder werden bald erfahren, wen ihre Häuptlinge ausgewählt haben. Der Präsident Gambarra sucht sich mit allen Mitteln in seiner Machtstellung zu befestigen; Bolivar ist fern; Santa-Cruz ist vertrieben. Es winkt uns ein sicherer Erfolg. In einigen Tagen ruft das Fest der Amancaës unsere Unterdrücker zur Freude. Jeder halte sich also zum Aufbruche bereit und verkündige diese Nachricht bis nach den entferntesten Dörfern Bolivias!«
Da traten drei Indianer in den Versammlungsraum ein.
Der Sambo ging ihnen rasch entgegen.
»Nun, wie steht’s? fragt er sie.
– Der Leichnam des Martin Paz ist nicht wieder zu finden gewesen. Wir haben das Ufer auf’s Genaueste durchsucht, unsere geschicktesten Taucher haben gethan, was möglich war, und wir sind der Meinung, daß der Sohn des Sambo rettungslos verloren ist.
– Sie haben ihn getödtet! Aber wo ist er hingekommen? Wehe Denen, die mir den Sohn gemordet haben! … Meine Brüder mögen schweigend auseinander gehen! Jeder begebe sich auf seinen Posten, Jeder wache und warte!«
Die Indianer verließen den Saal und zerstreuten sich. Der Sambo blieb mit Manangani allein zurück.
»Weiß der Sambo, fragte Letzterer, welches Gefühl an jenem Abende seinen Sohn nach San-Lazaro trieb? Ist der Sambo seines Sohnes auch ganz sicher?«
Ein Blitz funkelte in den Augen des Indianers. Manangani trat einen Schritt zurück.
Doch der Indianer bezwang sich und sagte:
»Wenn Martin Paz seine Brüder verriethe, tödte ich zuerst alle Diejenigen, denen er seine Freundschaft geschenkt hat, alle Die, welche er liebt. Dann trifft ihn mein Dolch, und zuletzt mich selbst, um unter der Sonne Keinen aus einem entehrten Geschlechte mehr wandeln zu lassen.«
In diesem Augenblicke öffnete die Wirthin die Thür des Saales und übergab dem Sambo ein an diesen gerichtetes Billet.
»Wer hat Euch das gegeben? fragte er.
– Ich weiß es nicht, antwortete die Wirthin. Es muß von einem Gaste absichtlich zurückgelassen worden sein, denn ich fand es auf dem Tische.
– Es sind doch nur Indianer hierher gekommen?
– Nur Indianer.«
Die Wirthin trat ab. Der Sambo entfaltete das Papier und las mit lauter Stimme:
»Ein junges Mädchen betet für Martin Paz, denn sie vergißt den Indianer nicht, der sein Leben für sie gewagt hat. Wenn der Sambo etwas von seinem Sohne erfährt, oder noch Hoffnung hat, ihn wieder zu finden, so trage er ein rothes Tuch um den Arm. Es giebt Augen, die ihn tagtäglich vorüberkommen sehen.«
Der Sambo zerknitterte das Billet.
»Der Unselige, sagte er, hat sich von den Augen eines Weibes fangen lassen!
– Wer mag sie sein?
– Eine Indianerin ist es nicht, antwortete der Sambo, der das Billet betrachtete. Das ist eine junge vornehme Dame … O Martin Paz, ich erkenne Dich nicht mehr!
– Werdet Ihr thun, um was das Weib Euch bittet?
–
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