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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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noch ebenso entgelten lassen, wie ich Deine Reichthümer verschlinge. Beim heiligen Salomon! Ich bin ein geschickter Mann, da meine Interessen und meine Gefühle übereinstimmen!«
    Als Don Vegal den Juden verließ, fand er Martin Paz in tiefer Niedergeschlagenheit.
    »Was fehlt Ihnen? fragte er theilnehmend.
    – Señor, die Tochter dieses Juden ist es, die ich liebe!
    – Eine Jüdin!« rief Don Vegal mit einem Gefühle des Widerstrebens, das er nicht zu bemeistern vermochte.
    Doch da er den Kummer des Indianers sah, fügte er hinzu:
    »Wir wollen jetzt abreisen, Freund, und darüber später reden!«
    Eine halbe Stunde darauf verließ Martin Paz in fremder Kleidung und begleitet von Don Vegal, der sonst keinen seiner Leute mitnahm, die Stadt.
    Die Seebäder von Chorillos liegen nur zwei Stunden von Lima entfernt. Dieses indianische Kirchspiel besitzt ein hübsches Gotteshaus und ist während der Sommersaison das Rendezvous der eleganten Welt aus Lima. Die öffentlichen Spielhäuser, welche in der Stadt untersagt sind, bleiben hier während der ganzen Badesaison geöffnet. Die Señoras geben sich dem Hazard mit unbeschreiblichem Eifer hin, und mehr als ein reicher Cavalier hat vor diesen reizenden Gegnerinnen sein Vermögen binnen einigen Nächten verschwinden sehen.
    Noch war Chorillos wenig von Badegästen besucht. So konnten auch Don Vegal und Martin Paz unter Betrachtung der unendlichen Wasserflächen des Pacifischen Oceans ruhig in einem am Meeresstrande gelegenen Sommerhäuschen wohnen.
    Marquis Don Vegal, der Sproß einer der ältesten spanischen Familien Perus, sah mit seiner Person die ahnenreiche Linie, auf die er mit Recht stolz war, erlöschen. Seinem Gesichte hatten sich die Spuren tiefer Traurigkeit eingegraben. Nachdem auch er sich eine Zeit lang mit Politik beschäftigt, hatte ihn ein unaussprechlicher Widerwille gegen die ewigen, nur im Interesse einzelner ehrgeiziger Persönlichkeiten in’s Werk gesetzten Revolutionen erfaßt, und er sich in eine Art Einsamkeit zurückgezogen, die nur die unausweichlichen Pflichten seiner gesellschaftlichen Stellung sehr selten unterbrachen.
    Sein früher ungeheurer Reichthum schwand von Tag zu Tag. Die Vernachlässigung seiner Güter in Folge Mangels an Arbeitskräften nöthigte ihn zu hochverzinslichen Anleihen; doch das drohende Gespenst des vollkommenen Ruins erschreckte ihn nicht. Die der spanischen Race so eigene Sorglosigkeit, verbunden mit der Langenweile eines zwecklosen Lebens, hatten ihn gegen die trübe Zukunft ganz unempfindlich gemacht. Früher Gatte einer angebeteten Frau und Vater eines reizenden kleinen Mädchens, entriß ihm eine schreckliche Katastrophe diese beiden Kleinode seines Herzens. Später hatte er, der vornehmen Spanier, zu denen ihm das Vertrauen fehlte, müde, und abgestoßen von dem hochfahrenden Wesen der Mestizen, ein Vergnügen daran gefunden, sich der primitiven Race zu nähern, welche einst den amerikanischen Boden so ausdauernd gegen die Schaaren Pizarros vertheidigte.
    Nach den Berichten, die dem Marquis zugingen, galt der Indianer in Lima für todt; Don Vegal, der Martin Paz’ Annäherung an eine Jüdin für noch weit schlimmer hielt als den Tod, entschloß sich jenen zweifach zu retten, indem er erst die Heirat Andreas Certa’s mit der Tochter Samuel’s sich vollziehen lassen wollte.
    Und während eine nie schwindende Trauer in Martin Paz’ Herzen wohnte, vermied der Marquis ängstlich jede Anspielung auf die Vergangenheit und suchte den jungen Indianer durch völlig gleichgiltige Sachen zu unterhalten.
    Eines Tages jedoch sprach Don Vegal von Kummer befangen:
    »Warum, mein Freund, soll Ihre edle Natur eines so gewöhnlichen Gefühls wegen ersticken? Ist Ihr Vorfahr nicht auch jener kühne Manco-Capac, dessen Patriotismus ihm eine Stellung Unter den gefeierten Helden sicherte? Welch schöne Rolle könnte nicht ein Mann spielen, der sich von keiner unwürdigen Leidenschaft lähmen läßt! Treibt es Sie denn gar nicht, einst Ihre Unabhängigkeit wieder zu erstreiten?
    – Daran arbeiten wir, Señor, und vielleicht ist der Tag der allgemeinen Schilderhebung nicht mehr fern.
    – Ich verstehe; Sie sprechen von jenem geheimen Kriege, den Ihre Brüder in den Bergen vorbereiten. Auf ein verabredetes Zeichen werden sie, die Waffen in der Hand zur Stadt herniedersteigen, und – ebenso besiegt werden, wie früher stets! Seht Ihr denn nicht, wie Eure Interessen durch jene fortwährenden Revolutionen, deren Schauplatz das

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