Erzählungen
leicht geschehen, denn nachdem die Stufen einmal ausgehauen waren, brauchte man nur ein wenig Wasser oben darauf zu gießen und sie verhärteten sich sofort.
Penellan ließ in geringer Entfernung von dem Schiff ein Loch in das Eis hacken, und täglich durchbrach man die Kruste, die sich an seiner obern Mündung von Neuem gebildet hatte, um das Wasser aus der Tiefe herauszuholen, wo es bedeutend wärmer war, als auf der Oberfläche.
All diese Vorkehrungen dauerten etwa drei Wochen, und nachdem sie beendet waren, faßte man den Entschluß, die Nachforschungen weiter zu verfolgen. Das Schiff war auf sechs bis sieben Monate eingekerkert, und erst durch das nächste Thauen konnte ihm eine Bahn durch die Eisflächen eröffnet werden. Die Zeit dieser gezwungenen Unbeweglichkeit sollte zu Nachforschungen in nördlicher Richtung benutzt werden.
Achtes Capitel.
Pläne zu Forschungsreisen.
Am 9. October hielt Johann Cornbutte einen Rath ab, um den Plan für seine Operationen zu entwerfen, und ließ all seine Leute hieran Theil nehmen, damit der Eifer eines Jeden durch die Solidarität der Interessen gehoben würde. Der Kapitän suchte ihnen, mit der Karte in der Hand, die gegenwärtige Situation klar zu machen.
Die Ostküste Grönlands zieht sich in senkrechter Richtung gen Norden, und die Entdeckungen der Seefahrer haben ihre Grenze genau bestimmt. In diesem Raum von fünfhundert (französischen) Meilen, der Grönland von Spitzbergen trennt, war noch kein Land recognoscirt worden. Nur ein einziges Stück Land, die Insel Shannon, befand sich etwa hundert Meilen weit im Norden der Bai von Gaël-Hamkes, in welcher die Jeune-Hardie überwintern sollte.
Wenn also das norwegische Schiff, wie die Wahrscheinlichkeit lehrte, in dieser Richtung fortgerissen war, so durfte man annehmen, daß es die Insel Shannon nicht hatte erreichen können, und die Schiffbrüchigen hier eine Zuflucht für den Winter gesucht hatten.
Trotz der Opposition André Vasling’s drang diese Ansicht durch, und es wurde beschlossen, als Ziel für die erste Forschungsreise die Insel Shannon anzunehmen.
Die Vorbereitungen wurden sofort getroffen; man hatte sich auf der norwegischen Küste einen nach Eskimo-Art gefertigten Schlitten verschafft, der aus vorn und hinten zurückgebogenen Brettern construirt war und über Schnee und Eis hinweggleiten konnte. Er maß zwölf Fuß an Länge, vier Fuß in der Breite und konnte im Nothfall Vorräthe für mehrere Wochen bergen. Fidèle Misonne setzte ihn alsbald in Stand und arbeitete im Schneemagazin daran, denn dorthin waren seine Werkzeuge geschafft worden. Man stellte einen Ofen, der zur Kohlenheizung eingerichtet war, in diesem Raume auf, denn ohne Erwärmung wäre jede Arbeit darin unmöglich gewesen, und das Ofenrohr wurde durch eine der Seitenwände geleitet, wozu ein Loch in den Schnee gebohrt werden mußte. Allerdings zeigte sich bei dieser Vorkehrung sehr bald der Umstand, daß der Schnee in unmittelbarer Nähe des Ofenrohres schmolz und so eine Oeffnung entstand. Aber Johann Cornbutte wußte ihn bald dadurch zu entfernen, daß er die Röhre mit einer Metallplatte umgab und so die Ueberleitung wenn nicht verhinderte, so doch sehr abschwächte.
Während Misonne am Schlitten arbeitete, richtete Penellan mit Mariens Hilfe Reservekleider für die Reise her. Stiefel aus Robbenfell waren glücklicher Weise in großer Zahl vorhanden. Johann Cornbutte und André Vasling trugen für die Vorräthe Sorge. Sie wählten ein kleines Faß Spiritus, mit dem man ein transportables Kochöfchen zu heizen gedachte; Thee und Kaffee wurden in genügender Quantität mitgenommen, und eine Kiste mit Schiffszwieback, zweihundert Pfund Pemmican und einige Flaschen Branntwein vervollständigten den Proviant. Die Jagd sollte den Reisenden Tag für Tag frische Vorräthe liefern, zu welchem Behuf eine Quantität Pulver, die in mehrere Säcke vertheilt war, mitgenommen wurde. Der Compaß, der Sextant und das Fernrohr wurden gleichfalls, sorgfältig verpackt, den Reise-Utensilien beigefügt.
Am 11. October erschien die Sonne nicht wieder am Horizont, und in den Wohnräumen der Mannschaft mußten unausgesetzt die Lampen brennen. Es war höchste Zeit, die Entdeckungsreise anzutreten, denn schon im Monat Januar wäre sie unmöglich geworden, weil dann die Kälte so groß war, daß man ohne Lebensgefahr den Fuß nicht vor die Thüre setzen durfte. Gelang es bis dahin nicht, die Verunglückten zu erspähen, so mußte alle Hoffnung auf ihre
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