Erzählungen
hat, wie man reiche Leute behandelt.
Übrigens brachte Armstrong immerhin ein Kapital mit in die Ehe. Dies zeigte sich bald. An einem Abend nämlich fragte Klara: »Du, wie hast du die Schauspielerin hereingelegt?«
Und Louis Armstrong, recte Armbruster, begann zu erzählen... Erlebnisse – ein nicht zu unterschätzender Notgroschen in den flauen Zeiten, den Zeiten, da die Langeweile in der Ehe gähnt...
Verhör
Sie sind ein mächtiger Mann, Herr Untersuchungsrichter. Eine Handbewegung von Ihnen, und alle Quälgeister sind verschwunden... Sie können sich ja gar nicht denken, was ich die letzten Stunden zu leiden gehabt habe. Zu sechst waren sie hinter mir her und haben mich gequält, mit Fragen gequält, die ärger waren als eine mittelalterliche Tortur mit Ausrenken und Wassertrichter. Und Durst haben sie mich leiden lassen... ganz ausgetrocknet ist mein Mund. Aber Sie brauchen nur zu erscheinen, Herr Untersuchungsrichter, und die Quälgeister sind verschwunden, wie gesagt, ein Wink Ihrer Hand genügt.
Nein, Sie müssen mich nicht für schwatzhaft halten. Es ist nur die Reaktion. Bedenken Sie doch nur einmal, wie Ihnen zumute wäre, wenn Sie vor einem Revolutionstribunal erscheinen müssten, und Ihre Inquisitoren wären die Einbrecher, Landstreicher, Saufbrüder, die Sie in Ihrem langen Leben in Behandlung gehabt haben. Glauben Sie, dass diese Leute glimpflich mit Ihnen umgehen würden? Ich glaube es nicht. Und Ihre Kommissare, Inspektoren, Geheimpolizisten (ich kenne mich wirklich nicht aus in den Rangstufen dieser Leute), nun, für mich sind diese Leute: Masse, Plebs..., Canaille, wie man früher sagte. Für diese Leute ist es eine Wonne, Menschen zu quälen, die keine fertiggenähten Krawatten tragen, Halbschuhe nach Mass anhaben und gutgebügelte Hosen. Hab' ich nicht recht...
Sie schweigen, Herr Untersuchungsrichter. Wie wohltuend ist Ihr Schweigen, nach dem Lärm, den Ihre Untergebenen vollführt haben. Zu dritt waren sie manchmal über mich gebeugt und spuckten mir ihre Fragen ins Gesicht. Zuerst habe ich versucht, Antwort zu geben, aber dann hab' ich's sein lassen. Wozu auch? Sie hörten doch nicht zu, diese Proletarier der Justiz.
Mein Mund ist ganz ausgetrocknet, und es macht mir Mühe zu sprechen; ich habe seit gestern abend nichts gegessen, nichts getrunken. Wären Sie so liebenswürdig, mir vielleicht ein Glas Wasser zu reichen?
Sehr freundlich von Ihnen, mir Wein zu bestellen und etwas zu essen. Sie werden sehen, sobald ich restauriert bin, werde ich Ihnen meinen Fall so klar darstellen können, dass es Ihnen unmöglich sein wird, mich nicht gehen zu lassen...
Ich bin Grossindustrieller, Herr Untersuchungsrichter, und ein witziger Journalist; in der kleinen Industriestadt, in der ich lebe, hat man mir einmal den Titel eines »okkulten Bürgermeisters« gegeben. Der Titel ist mir geblieben. Denn ich beschäftige mich prinzipiell nicht mit Politik, gehöre auch keiner Partei an; so kann es denn kommen, dass mein Wort gewichtig wird und den Ausschlag gibt, wenn zwei Parteien bei den Wahlen fast gleich stark sind. Ich erzähle Ihnen dies nur zur Orientierung, damit Sie sich ein Bild machen können von mir, von meiner Persönlichkeit. Und glauben Sie nicht etwa, ich wolle renommieren; aber wenn ich bedenke, was für einen Eindruck ich Ihnen machen muss mit meinem zerschlissenen Kragen, meinen zerdrückten Kleidern, so fühle ich irgendwie die Verpflichtung, mich Ihnen als der darzustellen, der ich wirklich bin.
Und mich, einen unbescholtenen Mann, der stets seine Steuern gezahlt hat (gewiss, es gibt Geschäftsnotwendigkeiten, die eine prompte Erfüllung dieser Angelegenheit nicht immer gestatten), mich, einen Wirtschaftsführer, wagt dieser glatzköpfige Kommissar, oder was er sonst ist, einen »Mörder« zu nennen. Nicht nur einmal, nein, unzählige Male hat er mir das Wort ins Gesicht geschrien, in die Ohren geflüstert. Ich ein Mörder! Ich bitte Sie, Herr Untersuchungsrichter, sehe ich aus...
Ah, da kommt der bestellte Wein. Und Sandwichs gibt es auch! Aber ich hoffe sehr, Herr Untersuchungsrichter, Sie werden mithalten. Ich bin überzeugt, Sie haben noch nicht gefrühstückt. Und dass man Sie so früh aus demBett geholt hat... Ich weiss, ich weiss... Pflichtbewusstsein... Ich kenne das. Wenn ich bedenke, wieviel schlaflose Nächte ich zugebracht habe, um einer Verbesserung meines Betriebes, um einer Erleichterung der Arbeit nachzustudieren... Ja, die Pflicht... Natürlich, der Kaffee ist
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