Erzählungen
tun?... Erlauben Sie, bitte. Ich muss mir eben gewisse Details wieder ins Gedächtnis zurückrufen, wie gesagt, gewisse Teile der Gravüre genauer betrachten, mit meinem geistigen Auge... erst dann kann ich Ihnen Auskunft geben. Und bedenken Sie doch, dass mich Ihre Proleten ganz durcheinander gebracht haben... Auch sie stellten diese Frage.
Soweit ich mich erinnern kann, trug er eine kleine gelbe Handtasche, gewiss, eine Tasche aus Schweinsleder, aus echtem Schweinsleder, ich habe den Geruch noch in der Nase... ganz deutlich jetzt... Jawohl, und nun besinne ich mich ganz genau, als ich dann zurückkam, als das... Unglück... nun... der Mord passiert war, in meiner Abwesenheit, da habe ich an diese Tasche gar nicht mehr gedacht. Aber mein Unterbewusstsein muss registriert haben,denn jetzt sehe ich deutlich wieder das leere Netz... Die Tasche ist nicht gefunden worden?... Das bestärkt nur meine Theorie, dass es sich um einen ganz gewöhnlichen Eisenbahnraub handelt. Vielleicht waren Wertsachen in dieser Tasche.
Danke, Herr Untersuchungsrichter, nur ein Stück Zucker... Sonst trinke ich den Kaffee am liebsten ungesüsst, aber heute mache ich schon eine Ausnahme...
Ohne Ihnen schmeicheln zu wollen, aber Ihre Bemerkung zeugt von einer erstaunlichen Kombinationsgabe... Gewiss könnte uns der Inhalt der Tasche auf eine Spur führen, gewiss könnten wir, falls wir die Tasche bei irgend jemandem finden würden, ohne weiteres auf die Schuld dieses Jemanden schliessen. Aber da liegt eben die Schwierigkeit. Denn bis jetzt ist die Tasche noch nicht aufgetaucht?... Nicht einmal andeutungsweise?... In den Aussagen der verschiedenen Zeugen vielleicht, des Zugführers zum Beispiel?
Was Sie nicht sagen!... Nein, diese Eröffnung haben mir Ihre Untergebenen nicht gemacht... Die Aussage des Zugführers belastet mich am schwersten? Er behauptet, es sei absolut unmöglich, dass jemand anders das Coupé betreten hätte?... Woher nimmt dieser Mann seine Sicherheit? Ich erinnere mich, einmal die Besprechung eines Buches gelesen zu haben, das von der Unzuverlässigkeit der Zeugenaussagen handelte; ein Professor hatte eine kleine Komödie vor seinen Studenten aufgeführt und diese Komödie dann erzählen lassen, schriftlich... Ja, ja, ich bin sicher, dass Sie das Buch gelesen haben und nicht nur eine Kritik darüber, wie ich. Aber glauben Sie nicht auch, dass gewissen Zeugen wenig zu trauen ist, besonders einem derartigen Kerl, der in seiner offiziellen Stellung sich von mir bestechen lässt und dann nicht einmal fähig ist, diese Bestechung redlich zu verdienen? Vielleicht hat er in einer Ecke des Wagens Schnaps gesoffen, hat seinen Dienst verschlafen und will sich jetzt reinwaschen, auf meine Kosten.
Nein, ich ereifere mich nicht, ich rege mich nicht auf. Aber eins will ich Ihnen offen und ehrlich sagen, die Methoden der Justiz sind unfair, die Justiz hält sich an keine Regeln. Gleichgültigkeit ist ein Schuldbeweis, Aufregung ist ein Schuldbeweis, der Angeklagte kann sich benehmen wie er will, immer ist es falsch, immer wird, wie es auch sei, sein Benehmen zu seinen Ungunsten ausgelegt. Das ist falsch, das ist grundfalsch. Sie wollen doch die Wahrheit herausfinden, nicht wahr? Aber Sie wollen ja gar nicht die Wahrheit, Sie wollen einen Schuldigen.
Das glaube ich gerne, dass fast alle Gefangenen die gleichen Worte gebrauchen. Mein Gott, uns stehen nicht so viele verklausulierte juristische Formen zu Gebote, um einfache Tatsachen möglichst kompliziert auszudrücken.
Nun schweife ich wieder ab, nach Ihrer Meinung. Aber daran sind Sie selber schuld. Ich will also weiterfahren. Ich zog meine Schuhe aus, holte die ledernen Pantoffeln hervor, die mir Irene zur letzten Weihnacht geschenkt hatte, zog einen Hausrock an und gab wohl acht, mein Portefeuille in meine Revolvertasche zu stossen. Bei dieser Gelegenheit kam mir meine kleine Welterpistole in die Hand, ich zog sie aus der Tasche (für sie und für das Portefeuille wäre die Tasche zu klein gewesen) und legte die Pistole unter das Luftkissen, das ich mir schon vorher gefüllt hatte. Während ich dies tat, warf ich noch einen Blick auf meinen Mitreisenden, er blickte noch immer nicht von seiner Zeitung auf, also hatte er meine Vorsicht wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Ich frage ihn noch höflich, ob es ihn störe, wenn ich noch eine Zigarette rauche. Sonst kann ich nämlich nicht einschlafen. Ich erriet mehr, als ich es sah, sein Kopfschütteln, dazu stiess er einen Laut aus, der
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