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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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wie ein nasales »äh, äh« klang. Also störte es ihn nicht. Ich rauchte meine Zigarette zu Ende.
    Das wäre möglich, durchaus möglich. Durch das Türfenster wäre es ein leichtes gewesen, mich vom Gang aus zu beobachten... Auch dies ist wieder Ihrer Kombinationsgabedurchaus würdig, Herr... Herr Untersuchungsrichter. Denn dies ist ja der einzige, tatsächliche Anhaltspunkt in dieser Affäre: dass der Mord mit meiner Pistole begangen worden ist. Und dass man scheinbar meine Fingerabdrücke und nur meine Fingerabdrücke, darauf festgestellt hat. Das ist aber gar nicht merkwürdig, denn ich habe ja die Pistole aufgehoben, als ich zurückkehrte...
    Sie haben gut reden, ich hätte sie liegen lassen sollen. Es war dies eine Reflexbewegung. Bücken Sie sich nicht auch, wenn Sie einen Gegenstand erblicken, der Ihnen bekannt vorkommt? Das ist so instinktiv... Daraus können Sie mir keinen Strick drehen, Herr Schafott, pardon, Herr Schaffroth.
    Nun der Schluss ist bald erzählt. Ich wollte noch auf die Toilette, bevor der Zug in die nächste Station einfuhr. Ich schritt also zur Tür, ging durch den Gang, traf niemanden, das ist wahr. Ich muss etwa zehn Minuten abwesend gewesen sein, ich wusch mir noch die Hände, putzte mir die Zähne (ich bitte Sie noch einmal zu bemerken, wie genau ich mich an die unbedeutendsten Details zu erinnern weiss), und dann kehrte ich durch den leeren Gang zurück. An den Türfenstern der Coupés waren die Vorhänge schon vorgezogen, ich sah auf meine Uhr, während ich sie gewohnheitsmässig aufzog, es war genau halb neun Uhr, nach meinen Berechnungen mussten wir etwa in einer Viertelstunde in die nächste Station einlaufen. Auch bei meinem Coupé war der Vorhang zugezogen, ich wunderte mich darüber, denn ich hatte dies nicht gemacht, und dachte noch: »Hat sich mein Zeitungsmann endlich von seinem ›Temps‹ losreissen können, das ist günstig, dann kann man das Licht abblenden, und wir können beide schlafen.« Ich war müde, am Morgen war ich sehr früh aufgestanden, es hatte so viel zu erledigen gegeben.
    Ich mache die Schiebetüre ganz leise auf, das Licht brannte hell, mein Kissen war umgestülpt, die kleine Pistole lag auf dem Boden, wie ich Ihnen schon erzählte.
    Wo sie lag... warten Sie... sie lag vor den Füssen desMannes, der sass mit offenem Mund in seiner Ecke, die Zeitung lag ausgebreitet auf seinen Knien, und die Zeitung hatte ein rundes Loch... Übrigens dort liegt sie ja noch, die Zeitung... und ich sah zum erstenmal das Gesicht des Zeitungsmannes. Ein gewöhnliches Gesicht, glatt rasiert, noch ziemlich jung, neben der linken Hand des Toten, die ausgebreitet, mit der Handfläche nach oben, auf dem Kissen lag, sah ich ein Paar graue Wildlederhandschuhe...
    Nein, sonst habe ich nichts bemerkt...
    Bestimmt nicht, Herr... Herr... Untersuchungsrichter, es lag sonst nichts herum, seine Tasche war verschwunden, das hab' ich Ihnen ja gesagt, der Rock stand weit offen, als ob jemand in aller Hast die Taschen des Mannes durchsucht hätte... Warum stellen Sie Ihre Frage zum drittenmal, soll das eine Falle sein?... Stellen Sie ruhig Fallen, wenn man ein reines Gewissen hat wie ich, dann hat man nichts zu fürchten.
    Papierschnitzel?... Nein, ich habe keine Papierschnitzel gesehen... Wieso soll ich Unglück gehabt haben?... Ich verstehe Sie nicht... Das kommt mir alles so spanisch vor; darf ich Sie noch um Zündhölzer bitten... danke.
    Wo... wo... haben Sie das gefunden? Das, das ist ja... der Kopf von... Nein, diese Dame kenne ich nicht. Eine Augenblickstäuschung, ich dachte zuerst, es sei Irene, die Züge haben eine gewisse Ähnlichkeit, ich kann es nicht leugnen. Und dieser Papierschnitzel, ausgerechnet mit diesem Gesicht, ist in dem Coupé gefunden worden? Was Sie nicht sagen...
    Ich habe den Mann nicht gekannt, ich wiederhole es noch einmal... Das ist eine Beleidigung meiner Frau, Herr... Untersuchungsrichter, Herr Schaffroth, nein, meine Frau hatte keinen Freund, ich verbitte mir aufs strengste derartige Insinuationen. Wirklich, es kommt mir vor, als wollten auch Sie in die Fussstapfen Ihrer plebejischen Vorgänger treten, aber Sie denken wohl, Ihre Art der Tortur, die Tortur der Freundlichkeit sei die wirksamere ... Darumhaben Sie mir Wein bestellt und Sandwiches... Haha, ich weiss schon, wir dünken uns zivilisierter als die Araber, aber wenn man zu diesen sogenannten wilden Völkerstämmen kommt, und man ist eingeladen und hat Brot und Salz gereicht bekommen, so ist man

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