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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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Wichtigkeit so kühl aufgenommen wurde.‹
    Die Zeitung suchte also in dieser Weise die Nachricht zu verbreiten, als hätten die Angehörigen von Marie die Entdeckung des Leichnams mit einer Gleichgültigkeit aufgenommen, die ihren Grund nur darin haben konnte, daß sie nicht an die Identität desselben mit ihrer Tochter glaubten. Die Insinuationen des Blattes laufen darauf hinaus, daß Marie die Stadt mit Zustimmung ihrer Freunde verlassen habe, und zwar aus Gründen, die gegen ihre Ehrenhaftigkeit sprächen, und daß diese Freunde, als man auf der Seine einen Leichnam gefunden hatte, der der Vermißten ähnelte, die Gelegenheit ergriffen hätten, das Publikum glauben zu machen, sie sei tot.
    Aber die Etoile war diesmal vorschnell gewesen. Es wurde klar bewiesen, daß von einer Gleichgültigkeit seitens der Verwandten nicht die Rede sein konnte. Die alte Dame war so außerordentlich schwach und erregt, daß sie nicht der geringsten Pflicht nachkommen konnte, und Saint Eustache, weit entfernt, die Nachricht kühl aufzunehmen, geriet ganz außer sich vor Schmerz und gebärdete sich so wahnsinnig, daß Herr Beauvais einen Freund und Verwandten beauftragte, sich seiner anzunehmen und zu verhüten, daß er der Untersuchung beiwohne, die der Wiederausgrabung der Leiche folgen sollte. Obgleich die Etoile ferner behauptete, daß der Leichnam auf Stadtkosten begraben worden sei und die Familie einen Vorschlag der Verwaltung, die Unglückliche privatim zu beerdigen, zurückgewiesen und niemand von den Angehörigen der Zeremonie beigewohnt habe – obgleich die Etoile dies alles in der Absicht, ihrer Meinung von der Sache Verbreitung zu verschaffen, behauptete –, wurde sie doch genügend widerlegt. In einer folgenden Nummer des Blattes wurden Versuche gemacht, Beauvais selbst zu verdächtigen. Der Redakteur meinte:
    ›So gewinnt denn nun die Sache ein ganz anderes Aussehen. Man hat uns mitgeteilt, daß Herr Beauvais einmal, als er ausgehen wollte, zu einer Frau B., die zufällig in Frau Rogêts Hause anwesend war, gesagt habe, man erwarte einen Gendarmen, und sie – Frau B. – möge sich mit demselben in keine Unterredung einlassen, sondern alles ihm überlassen. Wie nun die Sachen jetzt liegen, scheint Herr Beauvais doch wohl die beste Auskunft über die ganze Angelegenheit geben zu können. Man kann ohne Herrn Beauvais keinen Schritt mehr weiter machen, denn welchen Weg man auch nehmen mag, man rennt immer wieder gegen ihn an. . Er muß doch wohl seine Gründe haben, zu bestimmen, daß niemand in der Sache aussagen solle. Auch hat er die männlichen Verwandten der Unglücklichen, wie diese selbst sagen, in recht sonderbarer Weise mundtot zu machen versucht. Er scheint auch sehr dagegen gewesen zu sein, daß den Verwandten erlaubt wurde, den Leichnam zu sehen.‹
    Dieser Verdacht gegen Beauvais wurde noch durch folgende Tatsache verstärkt. Ein paar Tage vor dem Verschwinden des Mädchens hatte ein Besucher, der Beauvais in seinem Bureau zu sprechen gewünscht, ihn jedoch nicht angetroffen hatte, in dem Schlüsselloch der Bureautür eine Rose stecken sehen und den Namen ›Marie‹ auf einer Schiefertafel gesehen, die neben der Tür hing.
    Nach den Zeitungen zu urteilen, sprach sich die öffentliche Meinung dahin aus, daß Marie das Opfer einer Rotte von Bösewichtern geworden, und daß sie von ihnen über den Fluß geschleppt, mißhandelt und ermordet worden sei. Der Commercial jedoch, ein Blatt von weittragendem Einfluß, bekämpfte diese allgemeine Annahme lebhaft. Ich zitiere ein paar Stellen aus seinen Spalten:
    ›Wir sind überzeugt, daß die Polizei bis jetzt bei ihren Nachforschungen auf ganz falscher Fährte gewesen ist, wenigstens soweit sich dieselben auf die Barrière du Roule erstrecken. Es ist unmöglich, daß eine so wohlbekannte Person wie Marie drei Stadtviertel hat durchschreiten können, ohne von einem einzigen Menschen erkannt zu werden; wäre sie von jemandem gesehen worden, so würde sich die betreffende Person sicher daran erinnern, denn sie interessierte alle, die sie kannten. Fernerhin ging sie zu einer Zeit aus, in der die Straßen am belebtesten sind. Es ist undenkbar, daß sie bis zur Barrière du Roule oder bis zur Rue des Drômes gegangen ist, ohne wenigstens von einem Dutzend Personen erkannt worden zu sein. Und doch ist keine Aussage gemacht worden, derzufolge sie an jenem Morgen außerhalb des Hauses ihrer Mutter gesehen wurde, man hat ja nicht einmal einen Beweis, daß sie überhaupt

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