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Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche

Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche

Titel: Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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Artikel achtundfünfzig und Punkt acht – Terror.
    Man ging zum Krankenhauschef. Das taten die Ärztinnen. Der Krankenhauschef Winokurow mochte Krugljak nicht. Winokurow schätzte den Ingenieur, wartete auf die Ergebnisse der Anfrage bezüglich der Blende, und vor allem war er ein gutmütiger Mensch. Ein Chef, der seine Macht nicht für das Böse nutzte. Der Profiteur und Karrierist Winokurow tat den Menschen nichts Gutes, aber auch Böses wollte er niemandem.
    »Gut, ich werde das Material dann nicht an den Beauftragten für ein weiteres Verfahren gegen Kiprejew geben«, sagte Winokurow, »wenn kein Bericht von Krugljak selbst vorliegt, vom Geschädigten. Wenn der Bericht vorliegt, wird das Verfahren eingeleitet. Strafbergwerk ist das Minimum.«
    »Danke.«
    Mit Krugljak sprachen die Männer, sprachen seine Freunde.
    »Verstehst du denn nicht, dass der Mann erschossen wird. Er ist doch rechtlos. Das bin nicht ich und nicht du.«
    »Aber er hat die Hand erhoben.«
    »Die Hand hat er nicht erhoben, das hat niemand gesehen. Und wenn ich mich mit dir streiten würde, dann würde ich dir beim zweiten Wort eins in die Fresse geben, weil du dich in alles einmischst, alle schikanierst.«
    Krugljak, im Grunde ein guter Kerl und überhaupt nicht geeignet zum Chef an der Kolyma, ließ sich überreden. Krugljak reichte keinen Bericht ein.
    Kiprejew blieb im Krankenhaus: Es verging noch ein Monat, und ins Krankenhaus kam Generalmajor Derewjanko angereist, der Stellvertretende Direktor des Dalstroj für das Lager – der oberste Chef für die Häftlinge.
    Im Krankenhaus quartierten sich die Chefs gern ein. Dort fanden die hohen Nördlichen Chefs Quartier, Schnaps und einen Imbiss, einen Ort, sich zu erholen.
    Generalmajor Derewjanko, in einen weißen Kittel gehüllt, ging von Abteilung zu Abteilung und verschaffte sich vor dem Mittagessen Bewegung. Die Stimmung des Generalmajors war rosig, und Winokurow beschloss, es zu riskieren.
    »Ich habe hier einen Häftling, der eine für den Staat wichtige Arbeit geleistet hat.«
    »Was für eine Arbeit?«
    Der Krankenhauschef erklärte dem Generalmajor irgendwie, was eine Blende ist.
    »Ich möchte diesen Häftling zur Vorfristigen vorschlagen.«
    Der Generalmajor erkundigte sich nach den Fragebogendaten und schnaubte, als er die Antwort erhalten hatte.
    »Das sage ich dir, Chef«, sagte der Generalmajor, »Blende hin oder her, schick du lieber diesen Ingenieur … Kornejew …«
    »Kiprejew, Genosse Natschalnik.«
    »Ja, ja, Kiprejew. Schick ihn dorthin, wohin er seinen Fragebogendaten nach gehört.«
    »Jawohl, Genosse Natschalnik.«
    Eine Woche später wurde Kiprejew abtransportiert, und nach einer weiteren Woche versagte der Röntgenapparat, und Kiprejew wurde wieder ins Krankenhaus gerufen.
    Jetzt war Winokurow nicht mehr nach Scherzen – er fürchtete, dass der Zorn des Generalmajors ihn treffen könnte.
    Der Verwaltungschef wird nicht glauben, dass der Röntgenapparat versagt. Kiprejew wurde zur Etappe eingeteilt, aber er wurde krank und blieb.
    Jetzt konnte gar keine Rede sein von Arbeit im Röntgenkabinett. Kiprejew verstand das genau.
    Kiprejew hatte Mastoiditis, er hatte sich den Kopf erkältet im Bergwerk auf dem Lagerbett, und eine Operation war lebensnotwendig. Aber niemand wollte dem Fieber oder den Arztberichten glauben. Winokurow tobte und forderte die sofortige Operation.
    Die besten Chirurgen des Krankenhauses wollten Kiprejews Mastoiditis operieren. Der Chirurg Braude war beinahe ein Spezialist für Mastoiditis. An der Kolyma gab es mehr als genug Erkältungen, Braude war sehr erfahren und hatte Hunderte solcher Operationen gemacht. Aber Braude sollte bloß assistieren. Die Operation sollte Doktor Nowikowa machen, eine große Otolaryngologin, Wojatschek-Schülerin, die viele Jahre bei Dalstroj gearbeitet hatte. Nowikowa war niemals inhaftiert gewesen, doch sie arbeitete schon viele Jahre nur an der nördlichen Peripherie. Und nicht für den schnellen Rubel. Sondern deshalb, weil man Nowikowa im Hohen Norden vieles nachsah. Nowikowa war Quartalssäuferin. Nach dem Tod ihres Mannes war die talentierte Ohrenärztin, eine Schönheit, jahrelang durch den Hohen Norden gezogen. Überall begann sie glänzend, und dann stürzte sie für viele Wochen ab.
    Nowikowa war um die fünfzig. Von der Qualifikation her stand niemand über ihr. Jetzt war die Ohrenärztin gerade im Vollrausch, der Rausch ging zu Ende, und der Krankenhauschef erlaubte, Kiprejew noch ein paar Tage

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