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Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche

Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche

Titel: Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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Baracke.
    »Einen gibt es. Hej, Schriftsteller!«
    »Hier ist der Schriftsteller!«
    Schelgunow glitt aus der Dunkelheit.
    »Komm mit zum König – du stanzt irgendwas.«
    »Nein.«
    »Was heißt nein? Dann erlebst du den Abend nicht, du Dummerchen!«
    Die schöne Literatur hatte Schelgunow auf die Begegnung mit der Verbrecherwelt gut vorbereitet. Voller Verehrung trat Schelgunow über die Schwelle der neunten Baracke. All seine Nerven, all sein Verlangen nach dem Guten waren gespannt und klangen wie Saiten. Schelgunow musste Erfolg haben, sich die Aufmerksamkeit, das Vertrauen, die Liebe des hohen Zuhörers erobern – des Hausherrn hier, des Königs. Und Schelgunow hatte Erfolg. All seine Missgeschicke endeten im selben Moment, als die trockenen Lippen des Königs sich zu einem Lächeln öffneten.
    Was Schelgunow »gestanzt« hatte – gebe Gott ein Gedächtnis! Die sichere Karte, »Graf Monte Christo«, wollte Schelgunow gar nicht ausspielen. Nein. Stendhals Chroniken und die Autobiographie Cellinis, die blutigen Legenden des italienischen Mittelalters ließ Schelgunow vor dem König erstehen.
    »Bravo, bravo!«, krächzte der König. »Da haben wir uns schön Kultur eingepfiffen.«
    Von irgendeiner Lagerarbeit konnte für Schelgunow nach diesem Abend keine Rede sein. Man brachte ihm ein Mittagessen, Tabak, und am folgenden Tag wurde die neunte Baracke sein ständiger Wohnsitz, wenn es einen solchen Wohnsitz im Lager gibt.
    Schelgunow wurde zum Hof-Romanisten.
    »Warum so trübselig, Romanist?«
    »Ich denke an zu Hause, an meine Frau …«
    »Na, na …«
    »Ja, die Untersuchung, die Etappe, das Durchgangslager. Man darf ja erst korrespondieren, wenn man ins Gold gebracht wird.«
    »Ach, du Gimpel. Und wir? Wozu sind wir da? Schreib deiner Schönen, und wir schicken es ab – ohne Briefkästen, mit unserer Eisenbahn. Hm, Romanist?«
    »Ich werde euch ewig zu Diensten sein.« – »Schreib.«
    Und einmal pro Woche schickte Schlegunow jetzt Briefe nach Moskau.
    Schelgunows Frau war Schauspielerin, eine Moskauer Schauspielerin aus einer Generalsfamilie.
    Damals in der Stunde der Verhaftung hatten sie sich umarmt.
    »Wenn auch ein Jahr oder zwei keine Briefe kommen, ich werde warten, ich werde immer bei dir sein.«
    »Die Briefe kommen schneller«, beruhigte Schelgunow seine Frau in zuversichtlichem Ton, auf Männerart. »Ich finde meine Kanäle. Und über diese Kanäle wist du meine Briefe bekommen. Und sie beantworten.«
    »Ja! Ja! Ja!«
    »Den Romanisten rufen? Bist du ihn nicht leid?«, fragte Kolja Karsubyj besorgt seinen Chef. »Nicht ein Peterle aus der neuen Etappe rufen? … Einen von uns, oder einen Achtundfünfziger?«
    »Peterle« nannten die Ganoven die Päderasten.
    »Nein. Ruf den Romanisten. Kultur haben wir uns ja genug eingepfiffen. Aber das sind alles Romane und Theorie. Mit diesem
frajer
werden wir noch ein Spiel spielen. Zeit haben wir mehr als genug.«

    »Mein Traum ist, Romanist«, sagte der König, als alle Zeremonien zum Rückzug in den Schlaf verrichtet waren: die Fersen gekrault, das Kreuz um den Hals gehängt und die Gefängnis»schröpfköpfe« – Zupfen und Kneifen – auf den Rücken gesetzt, »mein Traum ist, Romanist, dass mir ein Weib wie deins Briefe aus der Freiheit schreibt. Sie ist hübsch!« Der König drehte in den Fingern ein zerknicktes, abgeschabtes Photo von Marina, Schelgunows Frau, das Schelgunow durch Tausende Durchsuchungen, Desinfektionen und Diebstähle getragen hat. »Sie ist hübsch! Für die Séance geeignet. Generalstochter! Schauspielerin! Ihr seid glücklich, ihr
frajer
, wir haben nur Syphilinen. Den Tripper beachtet man schon gar nicht mehr. Gut, lasst uns pennen. Ich träume schon.«
    Auch am nächsten Abend stanzte der Romanist keine Romane.
    »Irgendwas gefällt mir an dir,
frajer
. Gimpel hin, Gimpel her, aber du hast einen Tropfen Gaunerblut. Schreib doch einen Brief an die Frau von meinem Kumpel, kurz gesagt, einem Menschen . Du bist ein Schriftsteller. Bist sanfter und klüger, wo du so viele Romane kennst. Einem Brief von dir kann wahrscheinlich keine widerstehen. Wir sind ja unwissendes Volk. Schreib. Mein Mensch schreibt es ab und schickt es los. Ihr habt sogar denselben Namen – Aleksandr. Drollig. Naja, Aleksandr heißt er nur in dem Verfahren, unter dem er läuft. Aber trotzdem Aleksandr. Schura also, Schurotschka.«
    »Ich habe solche Briefe nie geschrieben«, sagte Schelgunow. »Aber versuchen kann ich es.«
    Jeden Brief, den Sinn jedes

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