Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche
einen neuen Ort verlegt und ließen einen Welpen, etwa drei Monate alt, beim Fischer zurück, um ihn später nachzuholen. Die Soldaten wollten den Welpen jemandem von der Leitung verkaufen, aber sie hatten keinen Interessenten im Auge oder wurden sich über den Preis nicht einig – jedenfalls holte den Welpen bis in den Spätherbst niemand ab.
Der Welpe fügte sich leicht in die Fischerfamilie ein und freundete sich mit der Katze an, die älter war, nicht an Jahren, aber an Lebensklugheit. Vor dem Welpen hatte die Katze keinerlei Angst, und den ersten scherzhaften Überfall wehrte sie stumm mit den Krallen ab und zerkratzte dem Welpen die Schnauze. Dann versöhnten sie sich und freundeten sich an.
Die Katze brachte dem Welpen das Jagen bei. Dazu hatte sie gute Gründe. Vor zwei Monaten, als die Katze noch beim Koch lebte, hatte man einen Bären getötet, man zog ihm das Fell ab, und die Katze stürzte sich auf den Bären und hieb triumphierend die Krallen in den feuchten roten Bärenkörper. Der Welpe aber hatte gewinselt und sich in der Baracke unter einem Bett versteckt.
Diese Katze hatte niemals mit ihrer Mutter gejagt. Niemand hatte sie die Kunst gelehrt. Ich hatte das Kätzchen, das nach dem Tod der Mutter am Leben geblieben war, mit Milch aufgezogen. Und siehe da – es war eine kampflustige Katze, die alles wusste, was eine Katze wissen muss.
Schon beim Koch hatte das winzige Kätzchen eine Maus gefangen, die erste Maus. Die Wühlmäuse sind an der Kolyma groß, kaum kleiner als das Kätzchen. Das Kätzchen erstickte den Feind. Wer hatte ihm diese Erbitterung, diese Feindschaft beigebracht? Ein sattes Kätzchen, das in der Küche lebt.
Stundenlang saß die Katze an der Höhle der Wühlmaus, und der Welpe erstarrte wie die Katze, ahmte sie in jeder Bewegung nach und wartete auf das Ergebnis der Jagd, des Sprungs.
Die Katze teilte mit dem Welpen wie mit einem Katzenjungen, warf ihm die gefangene Maus hin, und der Welpe knurrte und lernte Mäuse fangen.
Die Katze selbst lernte nichts. Sie wusste alles von Geburt an. Wie oft habe ich gesehen, wie dieser Jagdinstinkt sich meldete – nicht nur der Instinkt, sondern auch Wissen und Meisterschaft.
Wenn die Katze auf Vögel lauerte, erstarrte der Welpe in höchster Aufregung und erwartete den Sprung, den Schlag.
Mäuse und Vögel gab es viele. Und die Katze war nicht träge.
Die Katze freundete sich sehr mit dem Welpen an. Zusammen erfanden sie ein Spiel, von dem mir der Fischer viel erzählt hat, aber ich habe dieses Spiel auch selbst drei oder vier Mal gesehen.
Vor der Fischerhütte war eine große Waldwiese, und in der Mitte der Wiese ein dicker Lärchenstumpf von drei Metern Höhe. Das Spiel begann damit, dass Welpe und Katze durch die Tajga sausten und gestreifte Burunduks – Erdeichhörnchen, kleine großäugige Tierchen – auf die Wiese hinausjagten, einen nach dem anderen. Der Welpe lief im Kreis und versuchte, den Burunduk zu fangen, und der Burunduk rettete sich, rettete sich mühelos, hüpfte auf den Stumpf und wartete, bis der Welpe nicht aufpasst, um dann abzuspringen und in der Tajga zu verschwinden. Der Welpe lief im Kreis, um die Wiese zu sehen, um den Baumstumpf und den Burunduk oben auf dem Stumpf zu sehen.
Durchs Gras näherte sich die Katze dem Baumstumpf und hüpfte dem Burunduk hinterher. Der Burunduk sprang und geriet in die Zähne des Welpen. Die Katze sprang vom Baum, und der Welpe gab die Beute heraus. Die Katze besah das tote Tierchen und schob mit der Pfote den Burunduk dem Welpen zu.
Ich fuhr damals oft diesen Weg, kochte in der Hütte des Fährmanns »
tschifir
«, aß und schlief vor dem langen Fußweg durch die Tajga – zwanzig Kilometer musste ich laufen, um nach Hause, zum Ambulatorium zu kommen.
Ich schaute die Katze, den Welpen, den Fischer an, ihr fröhliches Hin und Her miteinander, und dachte jedes Mal an die Unerbittlichkeit des Herbstes, an die Unbeständigkeit dieses kleinen Glücks und an das Recht eines jeden auf diese Unbeständigkeit: des Tiers, des Menschen, des Vogels. Der Herbst wird sie trennen, dachte ich. Aber die Trennung kam vor dem Herbst. Der Fischer war ins Lager gefahren, Lebensmittel holen, und als er zurückkam – war die Katze nicht zu Hause. Der Fischer suchte sie zwei Nächte, fuhr weit bachaufwärts, besah all seine Fangeisen, alle Fallen, schrie, rief die Katze bei ihrem Namen, den sie nicht hatte, nicht kannte.
Der Welpe war zu Hause, aber er konnte nichts erzählen. Der Welpe jaulte
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