Erzaehlungen aus Kolyma 04 - Die Auferweckung der Lärche
den Baum hinauf, den Stamm der Lärche, und das Feuer, schon Kraft gewinnend, brüllte und ließ den Stamm erbeben.
Diese Krämpfe der Bäume, die Todeskrämpfe waren überall gleich. Die hippokratische Maske des Baumes habe ich viele Male gesehen.
Über dem Krankenhaus hatte es drei ganze Tage geschüttet, und darum dachte ich an den Brand, erinnerte mich an das Feuer. Ein Regen hätte die Stadt gerettet, das Lagerhaus der Geologen, die brennende Tajga. Wasser ist stärker als Feuer.
Die genesenden Kranken gingen auf der anderen Seite des Flüsschens Beeren und Pilze sammeln – dort gab es Unmengen Heidelbeeren, Preiselbeeren und ganze Kolonien von ungeheuerlichen glitschigen vielfarbigen Butterpilzen mit glitschigem und kaltem Hut. Die Pilze erschienen uns als kalte, kaltblütige lebendige Wesen, als Schlangen – was auch immer, nur nicht als Pilze. Die hiesigen Pilze passten nicht in die gewohnten Klassifizierungen der Naturkunde und sahen aus wie Wesen aus einer benachbarten Reihe von Amphibien und Schlangen …
Die Pilze kommen spät heraus, nach dem Regen, kommen nicht jedes Jahr, aber einmal gekommen – stehen sie um jedes Zelt, füllen jeden Wald, jedes Unterholz.
Nach diesen Wildwüchslingen gingen wir jeden Tag.
Heute war es kalt, es blies ein kalter Wind, aber der Regen hatte aufgehört, durch die zerfetzten Wolken war der bleiche Herbsthimmel zu sehen, und es war klar, dass es heute nicht regnen würde.
Man konnte, man musste in die Pilze gehen. Auf den Regen – die Ernte. In einem kleinen Boot setzten wir zu dritt über das Flüsschen, so, wie wir es jeden Morgen taten. Das Wasser war ein klein wenig gestiegen, es lief ein klein wenig schneller als gewöhnlich. Die Wellen waren dunkler als sonst.
Safonow zeigte mit dem Finger aufs Wasser, zeigte stromaufwärts, und wir alle drei begriffen, was er sagen wollte.
»Wir schaffen es. Pilze reichlich«, sagte Werigin.
»Wir sollten doch nicht umkehren«, sagte ich.
»Machen wir es so«, sagte Safonow, »um vier Uhr steht die Sonne gegenüber dem Berg, um vier kommen wir ans Ufer zurück. Wir binden das Boot etwas höher an …«
Wir liefen in verschiedene Richtungen – jeder hatte seine Lieblingspilzstellen.
Aber mit den ersten Schritten im Wald merkte ich, dass ich mich beeilen musste, dass ein Pilzreich hier, zu meinen Füßen lag. Die Hüte der Butterpilze waren mützengroß, handtellergroß – zwei Körbe zu füllen dauerte nicht lange.
Ich trug die Körbe zur Lichtung am Traktorweg, um sie schnell zu finden, und ging unbeschwert vorwärts, um wenigstens mit einem Auge zu schauen, was denn für Pilze dort gewachsen waren, an meinen besten Stellen, den vor Langem gefundenen.
Ich ging in den Wald, und die Pilzseele war erschüttert: Überall standen riesige Steinpilze, einzeln, höher gewachsen als das Gras, höher als die Preiselbeersträucher, die festen, elastischen, frischen Pilze waren unglaublich.
Aufgepeitscht vom Regenwasser, waren die Pilze zu Ungeheuern herangewachsen, mit Halbmeterhüten, sie standen, wohin man auch schaute – und die Pilze waren alle so kräftig, so frisch, so fest, dass keine andere Entscheidung möglich war. Umkehren, alles früher Gesammelte ins Gras werfen und mit diesem Pilzwunder hier in Händen zurück ins Krankenhaus fahren.
So machte ich es auch.
Alles brauchte Zeit, aber nach meiner Berechnung würde ich über den Pfad eine halbe Stunde laufen.
Ich stieg hinunter zum Fuß des Berges, schob die Büsche auseinander – das kalte Wasser hatte den Pfad über Meter überflutet. Der Pfad war verschwunden unter dem Wasser, während ich die Pilze sammelte.
Der Wald rauschte, das kalte Wasser stieg immer höher. Das Grollen wurde immer stärker. Ich kletterte den Hang hinauf und lief am Berg entlang rechts zu unserem Treffpunkt. Die Pilze hatte ich nicht weggeworfen – die zwei schweren Körbe, mit einem Handtuch verbunden, hingen an meinen Schultern.
Oben näherte ich mich dem Hain, wo das Boot sein musste. Der Hain war ganz mit Wasser überflutet, das Wasser stieg ständig.
Ich arbeitete mich heraus ans Ufer, an den Fuß des Berges.
Der Fluss tobte, riss Bäume aus und warf sie in den Strom. Von dem Wald, an dem wir morgens festgemacht hatten, war kein Busch geblieben – die Bäume waren unterspült, ausgerissen und davongetragen von der schrecklichen Kraft dieses muskulösen Wassers, des Flusses, der einem Ringer glich. Das andere Ufer war felsig – der Fluss hielt sich schadlos am rechten, an
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