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Es begann in einer Winternacht

Es begann in einer Winternacht

Titel: Es begann in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Ruck an, doch St. Vincent war darauf vorbereitet und hielt sie sicher gegen seine Brust. Evie konnte nicht verstehen, wie die Hölle sich so plötzlich in den Himmel verwandelt haben konnte.
    Noch nie war sie einem Mann körperlich so nahe gewesen. Es schien schrecklich falsch, es so zu genießen.
    Andererseits hätte sie schon bewusstlos sein müssen, um es nicht zu tun. Mutter Natur hatte dieses unwürdige Mannsbild mit einer unverschämt großen Menge an männlicher Schönheit beschenkt. Und, was noch besser war, er war unglaublich warm. Sie kämpfte gegen den Drang an, sich näher an ihn zu drücken. Seine Kleidung war aus den besten Stoffen: ein Gehrock aus feiner Wolle, eine Weste aus schwerer Seide, ein Hemd aus duftigem Leinen.
    Ein Hauch von Stärke und teurem Parfum vermischte sich mit dem salzig-reinen Duft seiner Haut.
    Evie fürchtete, dass er sie wieder von sich weg setzen würde, wenn sie den Becher leer getrunken hatte, und versuchte, ihn so lange wie möglich vorhalten zu lassen. Zu ihrem großen Bedauern kam sie trotzdem irgendwann bei den letzten süßen Tropfen am Boden an. St. Vincent nahm ihr das Gefäß aus der Hand und stellte es auf den Boden der Kutsche. Evie war enorm erleichtert, weil er sich danach wieder mit ihr in den Armen zurücklehnte. Sie hörte, wie er über ihren Kopf hinweg gähnte. „Schlafen Sie jetzt“, murmelte er. „Es sind drei Stunden, bis wir wieder die Pferde wechseln.“
    Evie presste ihre Zehen fester an den heißen Stein, drehte sich leicht zur Seite und schmiegte sich dichter an ihn.
    Dann glitt sie in die einladenden Tiefen des Schlafes.
    Der Rest der Reise war ein verschwommenes Durcheinander von Bewegung, Erschöpfung und rüdem Erwachen. In dem Maße wie Evies Erschöpfung zunahm, verließ sie sich mehr und mehr auf St. Vincent. Bei jedem neuen Halt versorgte er sie mit eurer Tasse Tee oder Brühe und sorgte dafür, dass der Ziegel in jedem Herd, der sich bot, wieder aufgewärmt wurde. Er hatte sogar irgendwo eine gesteppte Decke gefunden und sagte Evie trocken, dass sie lieber nicht nachfragen sollte, wie er sie bekommen hätte. Evie war sich sicher, dass sie ohne ihn unterdessen schon erfroren wäre, und verlor jegliche Hemmungen, sich, wann immer er in der Kutsche war, an ihn zu pressen.
    „D-Das sind keine Annäherungsversuche“, erklärte sie ihm, während sie sich gegen seine Brust schmiegte. „Sie sind nur eine verfügbare W-Wärmequelle.“
    „Das behaupten Sie zumindest“, antwortete St. Vincent träge und zog die Decke enger um sie beide. „Aber während der letzten Viertelstunde haben Sie Teile meines Körpers liebkost, die noch niemand zuvor zu berühren gewagt hat.“
    „Das wage ich s-sehr zu bezweifeln.“ Sie kuschelte sich noch tiefer in die Falten seines Mantels und fügte mit durch den Stoff gedämpfter Stimme hinzu: „Sie sind vermutlich durch mehr Hände gegangen als ein Picknickkorb bei Fortnum & Mason.“
    „Und ich bin zu einem viel zumutbareren Preis zu bekommen.“ Er zuckte zusammen und bewegte sich, um sie etwas anders auf seinem Schoß zu arrangieren. „Vorsicht mit dem Knie, mein Schatz, oder Ihre Pläne, die Ehe zu vollziehen, könnten leider infrage gestellt werden.“
    Sie schlummerte bis zu ihrem nächsten Halt. Gerade als sie dabei war, sich in einem tiefen Schlaf zu entspannen, rüttelte sie St. Vincent sanft wach. „Evangeline“, murmelte er und strich ihr das wirre Haar aus dem Gesicht.
    „Öffnen Sie die Augen. Wir sind an der nächsten Poststation angekommen. Sie sollten für ein paar Minuten in den Gasthof gehen.“
    „Ich will nicht“, nuschelte sie und wehrte ihn unwillig ab.
    „Sie müssen“, beharrte er sanft. „Danach kommt eine lange Strecke. Sie sollten jetzt den Nachttopf benutzen. Es ist die letzte Gelegenheit für einige Zeit.“
    Evie wollte gerade maulen, dass sie nicht musste, als sie plötzlich feststellte, dass das nicht stimmte. Allein der Gedanke, aufzustehen und wieder in den grauen eisigen Regen hinauszusteigen, war genug, ihr beinahe die Tränen in die Augen zu treiben. Sie beugte sich vor, zog ihre klammen, dreckigen Schuhe an und fummelte unglücklich an ihren Schnürbändern herum. St. Vincent wischte ihre Hände zur Seite und schnürte sie selbst zu. Er half ihr aus der Kutsche, und Evie biss die Zähne zusammen, als eine scharfe Windbö sie traf. Es war vernichtend kalt. St. Vincent zog ihr die Kapuze tiefer ins Gesicht, bevor er einen schützenden Arm um ihre Schultern

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