Es begann in einer Winternacht
voller Schmerzen drückte Evie sich in eine Ecke.
Der Nacht folgte ein Tag mit beißender Kälte und Nieselregen, der Evies Mantel durchnässte, als St. Vincent sie durch den Hof eines Gasthofs führte. Er mietete ein Zimmer, wo Evie eine Schüssel lauwarmer Suppe aß und den Nachttopf benutzte, während er sich um ein weiteres Paar Pferde und einen neuen Kutscher kümmerte. Der Anblick des Bettes ließ vor Müdigkeit beinahe Übelkeit in Evie aufsteigen. Aber schlafen konnte sie später, nachdem sie in Gretna Green angekommen war und sich für immer dem Griff ihrer Familie entzogen hatte.
Insgesamt dauerte der Aufenthalt weniger als eine halbe Stunde. Als sie zurück in der Kutsche war, versuchte Evie ihre nassen Schuhe auszuziehen, ohne die samtenen Bezüge mit Matsch zu beschmutzen. St. Vincent stieg hinter ihr in die Kutsche und beugte sich vor, um ihr zu helfen. Während er ihr die Schuhe aufschnürte und sie ihr von den schmerzenden Füßen zog, nahm Evie ihm schweigend den regennassen Hut ab und warf ihn auf den gegenüberliegenden Sitz. Sein Haar sah dicht und weich aus, die Locken in allen Nuancen zwischen Bernstein und Champagner.
St. Vincent setzte sich neben sie und betrachtete ihr gerötetes Gesicht. Er legte seine Hand an ihre eiskalte Wange.
„Eins muss ich Ihnen zugestehen“, murmelte er. „Jede andere Frau würde sich unterdessen mehr als lautstark beschweren.“
„Ich k-k-kann mich kaum beschweren“, sagte Evie, am ganzen Körper zitternd, „wenn ich es bin, die darauf bestanden hat, nach Schottland durchzufahren.“
„Die Hälfte ist geschafft. Eine weitere Nacht und ein Tag, und morgen Abend sind wir verheiratet.“ Sein Mund verzog sich zu einem ironischen Halbgrinsen. „Ohne Zweifel ist keine Braut je begieriger auf das Hochzeitsbett gewesen.“
Evies zitternde Lippen antworteten mit einem kleinen Lächeln, als sie seine Anspielung verstand – dass sie begierig auf Schlaf, nicht auf Liebesspiele war. Während sie in sein Gesicht blickte, so nah vor ihr, fragte sie sich geistesabwesend, wie ihn die Anzeichen der Erschöpfung in seinem Gesicht und die Schatten unter seinen Augen so anziehend aussehen lassen konnten. Vielleicht, weil er jetzt menschlicher wirkte, nicht mehr wie ein schöner und herzloser römischer Gott. Das meiste seiner aristokratischen Arroganz war verschwunden, ohne Zweifel, um später, wenn er wieder ausgeruht war, erneut aufzutauchen. Aber im Moment wirkte er gelöst und zugänglich. Es schien, als hätte diese Reise durch die Hölle ein zerbrechliches Band zwischen ihnen geknüpft.
Der Augenblick wurde von einem Klopfen an der Kutschentür unterbrochen. St. Vincent öffnete sie und enthüllte ein abgerissenes Dienstmädchen, das im Regen stand. „Hier ham Sie’s, Mylord“, sagte sie, unter der Kapuze ihres tropfenden Mantels hervorschauend, und reichte ihm zwei Gegenstände. „’N heißer Krug und ’n Backstein, ganz wie Sie’s wollten.“
St. Vincent angelte eine Münze aus seiner Westentasche und gab sie ihr. Sie strahlte ihn an, bevor sie wieder in den Schutz des Gasthauses zurückeilte. Evie blinzelte vor Überraschung, als St. Vincent ihr einen mit einer dampfenden Flüssigkeit gefüllten Becher aus zinnglasierter Keramik reichte. „Was ist das?“
„Etwas, um Sie von innen aufzuwärmen.“ Er hielt einen Backstein in der Hand, der in Lagen grauen Flanells gewickelt war. „Und dies ist für Ihre Füße. Legen Sie Ihre Beine auf den Sitz.“
In jeder anderen Situation hätte Evie vermutlich gegen die zwanglose Handhabung ihrer Beine protestiert. Aber sie erhob keinen Einspruch, als er ihre Röcke hochschob und den heißen Stein an ihre Füße legte. „Ohhhhh …“ Ein Schauer von Wohlbehagen überlief sie, als die köstliche Hitze um ihre eiskalten Zehen kroch. „Oh … noch n-nie hat sich etwas so gut angefühlt…“
„Das sagen mir Frauen ständig“, sagte er mit einem Lächeln. „Hier, lehnen Sie sich an mich.“
Evie gehorchte und legte sich halb auf ihn. Seine Arme schlossen sich um sie. Seine Brust war muskulös und sehr fest, aber sie bildete das perfekte Kissen für ihren Hinterkopf. Sie hob den Becher an die Lippen und nahm einen vorsichtigen Schluck von dem heißen Getränk. Es war irgendeine Form von Alkohol, gemischt mit Wasser und mit Zucker und Zitrone aromatisiert. Sie trank langsam, und Wärme breitete sich in ihrem Körper aus. Ein langes wohliges Seufzen kam über ihre Lippen. Die Kutsche fuhr mit einem
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