Es begann in einer Winternacht
hinunterrollte und in die King Street einbog. Die lange Front von Jenner’s, aus Ziegel und Marmor, kam in ihren Blick – eine Silhouette gegen einen gelben und roten Sonnenuntergang, der durch den stets präsenten Londoner Dunst schimmerte. Evie starrte aus dem Kutschenfenster und seufzte angespannt, als das Gefährt in eine der vielen Durchfahrten bog, die von der Hauptstraße zu den Gassen und Höfen hinter der Reihe von Häusern führte.
Die Kutsche kam am Hintereingang zum Stehen, was viel angenehmer war, als durch die vordere Haupttür gehen zu müssen. Jenner’s war kein Ort, den Damen frequentierten. Ein Gentleman mochte seine Geliebte oder sogar eine Prostituierte, die für kurze Zeit seine Aufmerksamkeit erregt hatte, mitnehmen, aber er würde nie auf die Idee kommen, eine ehrbare Frau in den Club zu bringen. Plötzlich wurde Evie bewusst, dass Sebastian sie mit dem leidenschaftslosen Interesse eines Insektenkundlers ansah, der eine neue Spezies Käfer beobachtete. Ihre schlagartige Blässe und ihr deutlich sichtbares Zittern konnten kaum seiner Aufmerksamkeit entgangen sein, aber er bot ihr keine Worte oder Gesten des Trostes an.
Sebastian stieg vor ihr aus der Kutsche, legte dann seine Hände um Evies Taille und half ihr auf die Erde. Der Geruch der Seitengasse hatte sich seit Evies Kindheit nicht verändert – Stallmist, Müll, Alkohol mit einem scharfen Unterton von Kohlenrauch. Ohne Frage war sie die einzige junge Frau der besseren Gesellschaft, die dachte, dass es der Geruch von Zuhause war. Wenigstens schien er ihrer Nase angenehmer als die Luft im Haus der Maybricks, das nach verrottenden Teppichen und schlechtem Duftwasser roch.
Evie verzog das Gesicht, da ihre Muskeln vom langen Stillsitzen in der engen Kutsche schmerzten, und ging zur Tür hinüber. Die Eingänge zur Küche und anderen Dienstzimmern fanden sich weiter hinten im Gebäude, aber diese öffnete sich zu einer Treppe, die zu dem Apartment ihres Vaters führte. Entschlossen hämmerte der Kutscher einige Male gegen die Tür, bevor er einige Schritte zurücktrat.
Ein junger Mann erschien, und Evie war erleichtert, als sie ein bekanntes Gesicht vor sich sah. Es war Joss Bullard, eine lang bekannte Figur im Club, der hier als Schuldeneintreiber und Türsteher arbeitete. Er war groß, massiv gebaut und dunkelhaarig, mit einem länglichen Kopf und einem schweren Kiefer. Er schien eine natürliche Neigung zur Verdrießlichkeit zu haben und hatte Evie stets nur mit einem absoluten Minimum an Höflichkeit behandelt, wenn sie den Club besucht hatte. Aber sie hatte ihren Vater seine Loyalität loben hören, und dafür war sie ihm dankbar.
„Mr. Bullard“, sagte sie. „Ich bin g-gekommen, um meinen Vater zu sehen. Bitte lassen Sie mich h-hinein.“
Der stämmige junge Mann rührte sich nicht. „Er hat nicht nach Ihnen geschickt“, sagte er unfreundlich. Sein Blick glitt zu Sebastian, und er bemerkte seine teure Kleidung. „Gehen Sie vorne herum, Sir, wenn Sie ein Mitglied sind.“
„Idiot“, hörte Evie Sebastian murmeln und unterbrach ihn hastig, bevor er weiter etwas sagen konnte.
„Ist Mr. Egan z-zurzeit greifbar?“, fragte sie, das Faktotum des Clubs nennend, das seit zehn Jahren für ihren Vater arbeitete. Sie mochte Egan nicht besonders, er war prahlerisch und nahm sich selbst gerne zu wichtig, aber er würde ihr nicht den Zugang zum Club ihres Vaters verweigern.
„Nein.“
„Dann Mr. Rohan“, sagte Evie verzweifelt. „Bitte sagen Sie ihm, dass M-Miss Jenner hier ist.“
„Ich hab doch gesagt…“
„Holen Sie Rohan“, fuhr Sebastian den jungen Mann an und schob seinen Stiefel gegen die Tür, um zu verhindern, dass sie geschlossen wurde. „Wir warten drinnen. Meine Frau wird nicht länger hier auf der Straße stehen.“
Eingeschüchtert von dem kalten Glitzern in den Augen des größeren Mannes, murmelte der Angestellte seine Zustimmung und verschwand schnell.
Sebastian führte Evie über die Schwelle und blickte kurz zu der nahen Treppe hinüber. „Sollen wir hinaufgehen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich würde lieber erst mit Mr. Rohan sprechen. Ich bin mir sicher, er wird mir etwas über den G-Gesundheitszustand meines Vaters sagen können.“
Als er ihr leichtes Stottern hörte, hob Sebastian seine Hand an ihren Nacken, ließ sie unter ihr zerzaustes Haar gleiten und drückte Evie sanft. Auch wenn sein Gesichtsausdruck noch immer kalt war, seine Hand war warm und beruhigend, und sie
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