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Es begann in einer Winternacht

Es begann in einer Winternacht

Titel: Es begann in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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in den Hauptraum hinunter. Evie, die so schnell wie möglich zu ihrem Vater wollte, zog ihn ungeduldig am Arm.
    Sebastian bewegte sich allerdings nicht von der Stelle. Tatsächlich schien er sie kaum zu bemerken, so gebannt war er von den Aktivitäten zu seinen Füßen. „Was ist los?“, fragte Evie. „Hast du etwas Ungewöhnliches gesehen? Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“
    Sebastian schüttelte leicht den Kopf und wandte seine Aufmerksamkeit mit Mühe vom Hauptspielsaal ab. Sein Blick schweifte durch den Raum, dabei bemerkte er die verblassten Farben an den Wänden, die gesplitterte Stuckatur, die fadenscheinigen Teppiche. Jenner’s war einst großartig eingerichtet gewesen, aber als die Jahre vergingen, hatte es viel von seinem Glanz verloren. „Wie viele Mitglieder hat der Club?“, fragte er. „Die temporären Mitgliedschaften nicht mit eingerechnet.“
    „Es waren einmal an die zweitausend“, antwortete Evie.
    „Ich weiß nicht, wie die aktuellen Zahlen aussehen.“ Sie zog wieder an seinem Arm. „Ich will zu meinem Vater.
    Wenn ich allein gehen muss …“
    „Du wirst nirgendwo allein hingehen“, sagte Sebastian und wandte sich ihr so abrupt und mit einem solch ernsthaften Gesichtsausdruck zu, dass sie erschreckte. Seine Augen glichen polierten Mondsteinen. „Du könntest von einem betrunkenen Clubmitglied – oder auch einem der Angestellten – in eines der Separees gezogen und vergewaltigt werden, bevor auch nur irgendjemand bemerkt, dass du verschwunden bist.“
    „Ich bin hier vollkommen sicher“, erwiderte sie verärgert. „Die meisten Angestellten wissen, wer ich bin, und ich kenne mich hier im Club besser aus als du.“
    „Nicht mehr lange“, murmelte Sebastian, und sein Blick kehrte beinahe wie unter Zwang zum Spielsaal zurück.
    „Jeden einzelnen Zoll dieses Kasinos werde ich erforschen. Ich werde all seine Geheimnisse ergründen.“
    Erstaunt über diese Aussage, warf Evie ihm einen überraschten Blick zu. Ihr wurde bewusst, dass von dem Moment, in dem sie den Club betreten hatten, eine Veränderung in ihm vorgegangen war. Sie konnte sich seine seltsame Reaktion nicht erklären. Seine übliche träge Art war einer neuen Aufmerksamkeit gewichen, als würde er die ruhelose Energie der Kasinoatmosphäre in sich aufsaugen.
    „Du starrst den Spielsaal an, als hättest du ihn noch nie zuvor gesehen“, sagte sie leise.
    Sebastian ließ seine Hand versuchsweise über die Balkonbrüstung gleiten, betrachtete den dunklen Schatten, die der Staub auf seiner Hand hinterlassen hatte, und wischte ihn fort. Sein Ausdruck war eher nachdenklich als kritisch, als er antwortete: „Er sieht anders aus, nun, da er mir gehört.“
    „Noch gehört er dir nicht“, sagte Evie traurig, weil ihr klar wurde, dass er den Wert des Etablissements für einen späteren Verkauf abschätzte. Wie typisch für ihn, an Geld zu denken, während ihr Vater im Sterben lag. „Denkst du je an etwas anderes als an dich selbst?“
    Die Frage schien ihn aus seinen Gedanken zu reißen, sein Gesicht verschloss sich. „Selten, Liebste.“
    Sie starrten einander an, Evies Augen anklagend, Sebastians undurchdringlich, und sie verstand, dass, irgendeinen Anstand von ihm zu erwarten, nur bedeutete, ständige Enttäuschungen zu erfahren. Sie konnte seine gebrochene Seele nicht durch Freundlichkeit oder Verständnis heilen. Er würde niemals einer der Lebemänner werden, die immer in Daisy Bowmans Schatz von skandalösen Romanen auftauchten und durch die Liebe einer Frau auf den Pfad der Tugend zurückkehrten.
    „Bestimmt wirst du alles, was du willst, sehr bald bekommen“, sagte sie kalt. „Ich werde jetzt auf jeden Fall zu meinem Vater gehen.“ Sie ließ ihn stehen und eilte die Galerie hinunter. Mit wenigen langen Schritten hatte er sie eingeholt und ging neben ihr her.
    Als sie die privaten Räume erreichten, die Ivo Jenner bewohnte, rauschte Evie das Blut wild in ihren Ohren. Angst und Sehnsucht waren beide gleichermaßen die Ursache dafür, dass ihre Hände feucht wurden und ihr Magen schmerzte. Als sie nach dem Türgriff des Apartments griff, glitt ihre Hand über das polierte Messing.
    „Darf ich?“, sagte Sebastian kurz und wischte ihre Hand beiseite. Er öffnete die Tür und hielt sie für sie, bevor er ihr in den dunklen Salon folgte. Das einzige Licht fiel von der offenen Schlafzimmertür in den Raum, wo eine kleine Lampe mattes Licht verbreitete. Evie trat über die Schwelle und blieb stehen. Sie

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