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Es begann in einer Winternacht

Es begann in einer Winternacht

Titel: Es begann in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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spöttisches Lächeln zu erblicken oder eine sarkastische Bemerkung zu hören. Stattdessen bemerkte sie, dass Farbe in sein Gesicht gestiegen und sein Gesichtsausdruck auffällig neutral war. „Ich muss dir etwas sagen“, sagte er leise. „Allein.“ Er nahm sie am Arm und zog sie aus dem Apartment ihres Vaters in den nächsten freien Raum, der zufällig der war, in dem sie die letzte Nacht geschlafen hatte. Sebastian schloss die Tür und baute sich vor ihr auf.
    Sein Gesicht war ausdruckslos. „Rohan hatte recht“, sagte er geradeheraus. „Dein Vater wird nicht mehr lange leben. Es wäre ein Wunder, wenn er einen weiteren Tag durchhält.“
    „Ja. Ich … ich denke, dass.das für jeden offensichtlich ist.“
    „Heute Morgen habe ich lange mit Rohan über den Zustand deines Vaters gesprochen, und er hat mir einen Handzettel gezeigt, den der Arzt da gelassen hat, nachdem er die Diagnose gestellt hatte.“ Er griff in seinen Gehrock, zog ein kleines Stück gefaltetes und mit winziger Schrift überzogenes Papier hervor und reichte es ihr.
    Evie las die Worte Eine Neue Theorie über die Schwindsucht auf dem oberen Ende des Papiers. Da die einzige Lichtquelle des Zimmers ein kleines Fenster und ihre Augen müde waren, schüttelte sie den Kopf. „Kann ich es später lesen?“
    „Ja. Aber ich will dir schon jetzt den wichtigsten Punkt der Theorie erklären: dass Schwindsucht von lebenden Organismen verursacht wird – so klein, dass man sie mit dem bloßen Auge nicht erkennen kann. Sie wohnen in den befallenen Lungen. Und die Krankheit überträgt sich, wenn eine gesunde Person einen Teil der Luft einatmet, den die kranke Person ausatmet.“
    „Kleine Wesen in der Lunge?“, wiederholte Evie ausdruckslos. „Das ist absurd. Schwindsucht wird durch eine natürliche Anfälligkeit für die Krankheit ausgelöst … oder wenn man zu lange im Kalten und Feuchten draußen war …“
    „Da keiner von uns beiden Arzt oder Wissenschaftler ist, ist eine Diskussion über die Sache ziemlich sinnlos.
    Trotzdem, um ganz sicherzugehen … ich fürchte, ich werde die Zeit, die du mit deinem Vater verbringen kannst, einschränken müssen.“
    Das Papier fiel aus ihrer Hand. Schockiert von seiner Aussage fühlte Evie, wie ihr Puls ein wildes Tempo anschlug.
    Nach allem, was sie ertragen hatte, um bei ihrem Vater sein zu können, versuchte Sebastian ihr die letzten Tage, die sie je mit ihm haben würde, zu stehlen – und alles nur wegen einer unbewiesenen medizinischen Theorie auf einem Handzettel? „Nein“, sagte sie heftig. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und die Worte kamen zu schnell, als dass ihr Mund sie richtig aussprechen konnte. „A-A-Auf keinen Fall. Ich werde so viel Zeit mit ihm verbringen, wie ich will. Dir ist es doch v-völlig egal, was aus ihm oder mir wird … du willst nur grausam sein und mir zeigen, welche M-Macht du über mich hast, mich …“
    „Ich habe das Bettzeug gesehen“, sagte Sebastian kurz. „Er hustet Blut, Schleim und weiß der Teufel was noch … und je mehr Zeit du mit ihm verbringst, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass du etwas von dem einatmest, was ihn verdammt noch mal tötet.“
    „Ich glaube nicht an deine alberne Theorie. Bestimmt könnte ich ein D-Dutzend Ärzte finden, die sie in der Luft zerreißen würden …“
    „Ich kann dich das Risiko nicht eingehen lassen Verdammt, Evie, willst du in sechs Monaten auch mit einer verrottenden Lunge im Bett liegen?“
    „Wenn d-d-das passiert, kann dich das kaum interessieren.“
    Während sie sich in der nachfolgenden wuterfüllten Stille anstarrten, hatte Evie das seltsame Gefühl, dass ihre bitteren Worte ihn tiefer getroffen hatten, als sie erwartet hatte.
    „Du hast recht“, sagte Sebastian heftig. „Wenn du unbedingt auch Schwindsucht bekommen willst, nur zu. Aber sei bitte nicht überrascht, wenn ich nicht händeringend an deiner Bettkante sitze. Ich werde nichts tun, um dir zu helfen. Und wenn du daliegst und dir die Lunge aus dem Leib hustest, werde ich große Freude daran haben, dich daran zu erinnern, dass das alles nur deine eigene Schuld ist, weil du so eine starrköpfige Närrin bist!“ Er beendete seine Rede mit einer ungeduldigen Handbewegung.
    Unglücklicherweise hatte Evie durch ihre vielen Zusammentreffen mit Onkel Peregrine nie gelernt, zwischen ärgerlichen Gesten und den ersten Anzeichen eines körperlichen Angriffs zu unterscheiden. Sie zuckte unwillkürlich zusammen und riss die Arme

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