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Es begann in einer Winternacht

Es begann in einer Winternacht

Titel: Es begann in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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aufrechterhaltene beruhigende Fassade sichtbar geworden sein, denn ihr Vater nahm eine ihrer Hände und zog sie mühsam mit einer schwachen Bewegung näher an sich heran.
    „Evie“, hörte sie sein leises Flüstern, „ich gehe zu deiner Mutter, weißt du … Sie hat dafür gesorgt, dass sie die Hintertür offen lassen … sodass ich mich in den Himmel schleichen kann.“
    Sie lachte leise, auch wenn ihr heiß die Tränen über die Wangen liefen.
    Bald trat Cam ins Zimmer. Sein nachtschwarzes Haar war zerzaust, und seine Kleidung war ungewohnt nachlässig, als hätte er sich sehr schnell angezogen. Selbst wenn er ruhig und gelassen wirkte, zeigte sich doch ein sanftes goldenes Glitzern in seinen Augen, als er Evie ansah. Sie stand auf und trat zurück. Sie musste einige Male schlucken, bevor sie sprechen konnte. „Du musst dich ganz tief zu ihm beugen, damit du ihn verstehen kannst“, sagte sie mit belegter Stimme.
    Cam lehnte sich über das Bett und nahm eine von Jenners Händen in die seine, so wie Evie es getan hatte. „Vater meines Herzens“, sagte der junge Zigeuner leise. „Möge deine Seele mit allen Frieden schließen, die du zurücklässt.
    Und wisse, dass Gott dir einen Weg in ein neues Leben öffnen wird.“
    Jenner flüsterte ihm etwas zu, und der junge Mann senkte den Kopf und rieb beruhigend die Hände des alten Mannes. „Ja“, sagte Cam bereitwillig, aber Evie konnte an der Spannung in seinen breiten Schultern erkennen, dass das, um was ihr Vater ihn gebeten hatte, ihn nicht glücklich machte. „Ich werde dafür sorgen, dass es gemacht wird.“
    Jenner entspannte sich und schloss die Augen. Cam trat vorsichtig vom Bett weg und zog Evie heran. „Es ist alles in Ordnung“, sagte er leise, als er ihr Zittern spürte. „Meine Großmutter hat mir immer gesagt: ‚Versuch nie, auf einem neuen Weg umzudrehen – du weißt nicht, welche Abenteuer dich erwarten.‘“
    Evie versuchte, Trost in den Worten zu finden, aber ihre Augen füllten sich mit Tränen und ihre Kehle schmerzte.
    Sie setzte sich neben ihren Vater, legte einen Arm um seinen Kopf und ließ eine Hand sanft auf seiner Brust ruhen.
    Sein rasselnder Atem beruhigte sich, und er gab einen leisen Laut von sich, als hieße er ihre Berührimg willkommen. Während sie sein Leben langsam verrinnen fühlte, spürte sie, wie Cam seine große Hand sanft um ihren Oberarm legte.
    Es war schmerzhaft still im Raum. Evies Herz schlug beinahe hörbar. Sie hatte noch nie zuvor einen Tod miterlebt, und ihm jetzt begegnen zu müssen und die eine Person zu verlieren, von der sie je Liebe erfahren hatte, erfüllte sie mit dem kalten Druck reiner Angst. Sie warf einen tränenverschleierten Blick zur Tür und sah Sebastians hohe Gestalt dort stehen. Sein Gesicht war unlesbar, und ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie ihn doch hier und jetzt brauchte. Als er sie mit seinen strahlenden Mondsteinaugen ansah, fand sie etwas in seinem Blick, was ihr Kraft verlieh.
    Ein letzter sanfter Atem strich von Ivo Jenners Lippen … und dann kam nichts mehr.
    Evie wurde bewusst, dass es nun wirklich vorbei war. Sie presste ihre Wange gegen seinen Kopf und schloss ihre von Tränen gefüllten Augen. „Leb wohl“, flüsterte sie. Ihre Tränen fielen in seine einst roten Locken.
    Nach einem Augenblick fühlte Evie, wie Cam sie mit sanften Händen vom Bett wegzog.
    „Evie“, murmelte der junge Mann mit abgewandtem Gesicht. „Ich muss … ihn vorbereiten. Geh mit deinem Ehemann.“
    Sie nickte und versuchte auch, sich zu bewegen, aber ihre Beine wollten ihr nicht gehorchen. Vage bekam sie mit, wie Cam ihr das Haar zurückstrich und dann seine Lippen in einem sanften, keuschen Kuss auf ihre Stirn drückte.
    Sie wandte sich blind ab und stolperte auf ihren Ehemann zu. Sebastian kam mit wenigen Schritten zu ihr hinüber und drückte ihr ein Taschentuch in die Hand. Dankbar nahm sie es. Sie war zu verzweifelt, um zu bemerken, wohin sie gingen, und es war ihr auch egal. Während sie sich Augen und Nase wischte, führte Sebastian sie aus Ivo Jenners Räumen. Sein Arm lag stark und beruhigend um ihren Rücken, seine Hand ruhte an ihrer Taille.
    „Er hatte unaufhörlich Schmerzen“, sagte Sebastian in nüchternem Tonfall. „Es ist besser so.“
    „Ja“, kam mühsam Evies Antwort. „Ja, natürlich.“
    „Hat er irgendetwas zu dir gesagt?“
    „Er hat… meine Mutter erwähnt.“ Der Gedanke ließ neue Tränen aufwallen, aber ein kleines, schiefes Lächeln spielte um

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