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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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des Fährschiffes ,Prinz Philip’ geschrieben — kam einen Tag später an als der per Luftpost in London aufgegebene Brief, wo Jo in einem Hotel am Russel Square für zwei oder drei Tage Station gemacht hatte, um sich die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten wenigstens flüchtig anzuschauen. Sie war nach einer recht stürmischen Nachtfahrt über den Kanal, ohne seekrank zu werden, im Morgengrauen in Dover angekommen, hatte sofort Anschluß gehabt und im ,Hotel Imperial’ ein etwas altmodisches, aber ruhiges und bequemes Quartier gefunden. Und sie hoffte, einen Brief von ihm noch in London zu bekommen. Natürlich schrieb er ihr umgehend, und tatsächlich bekam sie seinen Brief noch in London, wo sie die Königin beim Einkauf von Kinderspielzeug bei Herolds gesehen hatte, genau wie eine andere Mutter, die ihrem Buben eine neue Lokomotive für die Eisenbahn kauft. Sie hatte mehr zu berichten als er. Aldenberg war eben ein lausiges Nest. Wenn man einen König sehen wollte, dann mußte man beim König im Salierbräu eine Halbe trinken, und wenn man einen Kaiser sehen wollte, beim Kaiser ein Paar Hausschuhe kaufen... Mächtig witzig, nicht wahr?
    Etwas ausführlicher und vergnüglicher konnte Lothar Lockner von seinem Freunde Schmölz berichten, dessen Heiratspläne Jo von jeher mit größtem Interesse verfolgt hatte. Herr Schmölz war am Donnerstag bei Lothar Lockner auf der Redaktion erschienen, zweifellos mit frisch gewaschenem Hals, mit blankgewichsten Stiefeln und im Sonntagsgewand, einer schwarzen Röhrenhose und einem dunkelblauen Rock, den Lothar Lockner seiner Länge wegen im ersten Moment für einen Mantel gehalten hatte. Die Hände hatten Herrn Schmölz gezittert, er war bleich ins Zimmer getreten, ein Bild des Jammers. Und stotternd hatte er auf die Frage, was denn um Himmels willen mit ihm geschehen sei, geantwortet, er getraue sich nicht in die ,Deutsche Eiche’ hinein. Dabei war die Uhr drei Minuten vor vier. Was blieb Lothar Lockner anderes übrig, als den unglückseligen Heiratskandidaten wie ein verirrtes Kind an der Hand zu nehmen und zu der Gastwirtschaft hinzuführen. Die Leute auf der Straße schauten dem ungleichen Paar mit einiger Verwunderung nach. Man kannte schließlich den kleinen Roßbollensammler und man kannte auch den Redakteur des ,Aldenberger Anzeigers’.
    „Und jetzt Mut gefaßt und nicht gefackelt!“ sagte Lothar Lockner und drückte Herrn Schmölz in den dunklen und sauer riechenden Hausflur der ,Deutschen Eiche’ hinein. Die Gasträume lagen rechter Hand hinter einer Tür, die so niedrig war, daß Leute von Lockners Länge sich unfehlbar den Schädel einrannten, wenn sie das Bücken vergaßen.
    Herr Schmölz zitterte an allen Gliedern.
    „Ich trau mir nicht — ich trau mir nicht...“, war alles, was er schlotternd hervorbrachte.
    „Gut!“ sagte Lothar Lockner finster, „ich gehe jetzt hinein und rede mit dem Fräulein Moser. Aber das sag ich Ihnen, Schmölz, wenn Sie mir hier nicht stehenbleiben, eisern wie ein Denkmal, dann kragl ich Sie eigenhändig ab! Haben Sie verstanden!“
    „Jawohl, Herr Redakteur...“ , stammelte der kleine Mann. Der Angstschweiß lief ihm in hellen Bächen über das Gesicht und tropfte von den Wangen in seinen Kragen. Lothar Lockner ließ ihn stehen, vergaß sich zu bücken, rammte mit der Stirn prompt den Türbalken und trat mit einem lauten, lästerlichen Fluch ins Lokal. Es war eine holzvertäfelte Kneipe, mit einer Decke, die so braun und verräuchert aussah, als würde hier noch auf offenem Feuer gekocht. Und es roch erbärmlich nach ranzigem Fett, Zwiebelsoße, abgestandenem Bier und kaltem Pfeifenrauch. Durch die niedrigen Fenster fiel gerade so viel Licht, daß man die Umrisse der Möbel erkennen konnte, alte Tische mit dünn gescheuerten Platten, Bauernstühle mit wackeligen Beinen und eine braungestrichene Bank, die sich an den Wänden entlang durch das ganze Lokal zog. Im Hintergrund stand ein grüner Kachelofen, und vor ihm saß einsam und verloren eine Frau vor einem Schoppen Bier, dessen Schaumkrone längst zusammengefallen war. Lothar Lockner trat entschlossen näher.
    „Fräulein Barbara Moser?“ fragte er und versuchte, nach dem Fluch, mit dem er ins Lokal gestolpert war, verbindlicher und liebenswürdiger zu wirken. Er mußte lange auf die Antwort warten. Die Frau schien stumm zu sein. Sie starrte ihn aus großen Augen an, versuchte sich zu erheben, woran der eng an ihre Brust gerückte Tisch sie aber hinderte, sank zweimal

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