Es bleibt natürlich unter uns
auf die Bank zurück und murmelte schließlich: „Ich bin so frei...“
„So, dann haben Sie den Brief also bekommen...?“
Sie starrte ihn noch immer wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt an...
„Was haben Sie, Fräulein Moser?“ fragte er ein wenig befangen, „oder was habe ich an mir, daß Sie mich anschauen wie ein Gespenst?“
Sie preßte die Hand auf das kleine Kröpferl an ihrem Hals und stotterte, als würge sie sich selber ab: „Entschuldigend, Herr...“
„Lockner!“ stellte er sich mit einer kleinen Verbeugung vor.
„... das muß ein Irrtum sein... Ich bin sozusagen ein ganz einfaches Madl... die wo ihr Leben lang gewaschen hat und auf Stöbern gegangen ist...“
Und plötzlich verstand er sie! Sie war der Meinung, er selber sei der Heiratskandidat!
„Nein, nein, nein!“ rief er hastig, „ich bin ja nur der Vorreiter, verstehen Sie? Ich komme nur im Aufträge des Herrn Schmölz, um zu sehen, ob Sie überhaupt gekommen sind! Er ist nämlich ein wenig schüchtern...“
Fräulein Moser ließ die Hand in ihren Schoß fallen.
„Jesusmaria...!“ stammelte sie, „und i hab scho denkt. Sie san’s selber, der wo mir g’schrieben hat!“ — Und den Kopf hebend, als lausche sie einem entschwundenen Ton nach, rief sie: „Was haben Sie gesagt? Ich mein, was war das für ein Name, den Sie da eben g’nennt haben? Ich hab nämlich die Unterschrift von dem Herrn nicht recht lesen können...“
„Die Unterschrift lautete: Schmölz — Martin Schmölz...“
„Ui jegerl!“ stieß sie hervor, „der Schmölz Marti mit seine Plattefüß und seine Pratzn...!“
Lothar Lockner sah seine Felle und noch mehr die Felle seines Freundes Schmölz dahinschwimmen. Für einen Augenblick verspürte er die größte Lust, das Fräulein sitzen- und Herrn Schmölz stehenzulassen und sich aus dem Staube zu machen. Aber ein Zug aus der Zigarette, die er sich rasch zwischen die Lippen steckte, rief ihn auf den Plan zurück.
„Hören Sie zu, Fräulein Moser“, sagte er sehr ernst, „es mag sein, daß der Schmölz Marti Plattfüße hat, und daß er ein kleiner Mann und nicht gerade eine strahlende Schönheit ist. Aber ich will Ihnen eines sagen: er hat ein strahlendes Herz. Und er ist überhaupt der beste kleine Mann, den ich hier kenne. Und er ist ein fleißiger Mann. Und er hat sein festes Gehalt. Und er bekommt eine Dienstwohnung. Und er braucht einen Menschen, der ihn ein bißchen bemuttert und versorgt. Und was Ihren ledigen Buben betrifft, so meine ich, daß er überhaupt keinen besseren Vater finden wird als meinen kleinen Freund Schmölz.“
Er drückte seine Zigarette in einem großen, grünen Aschbecher mit einer Schnapsreklame aus. —
„Und nun zu Ihnen, Fräulein Moser. — Sie können ehrlich zu mir sprechen. Was haben Sie gegen Herrn Schmölz? — Oder fragen wir einmal anders: was bieten Sie meinem Freund Schmölz, daß Sie es sich leisten können, einen guten Mann und eine sichere Altersversorgung auszuschlagen? Na los, nun reden Sie einmal...!“
Sie starrte in den trüben Spiegel ihres Bierglases, und ihr Atem ging schwer und sie schluckte trocken.
„Mei’…“, murmelte sie nach einer Weile, „ich hab gar nix gegen ihn, wenn er nichts gegen mich hat... Und das Schlimmere hab ich in meinem Brief verschwiegen...“
Lothar Lockner kratzte sich unbehaglich den Hals: „Noch ein paar ledige Kinder?“ fragte er und sog die Luft zischend ein.
„Nein, nein, wo denkens hin! — Es ist was andres...“
„Also los! Nun mal heraus mit der Sprache!“ rief er munter.
„Es ist z’wegen dem, daß mein linker Haxn a bißl kürzer ist als der rechte... Nicht daß ich hupfen tu... ich trag im Schuh eine Einlage... aber ein bißl merkt man’s doch, wenn man genau hinschaut. Ich hab mir als Kind mal das Bein ‘brochen...“
Lothar Lockner erhob sich mit einem befreiten Seufzer.
„Ich bin davon überzeugt, Fräulein Moser, daß Sie und der Schmölz Marti ein gutes Gespann abgeben werden! Und wenn Sie es erlauben, dann rufe ich ihn jetzt herein, ja?“
„Is schon recht, Herr Lockner“, sagte sie demütig und mit einem kleinen erwartungsvollen Lächeln, das ihr derbes Gesicht wunderbar verschönte.
„Also, Fräulein Moser, dann wünsche ich Ihnen alles Gute! Und machen Sie es meinem Freund Schmölz nicht zu schwer.“
Er ließ sie sitzen und rannte beim Verlassen der Gaststube zum zweitenmal mit der Stirn gegen den verdammten Türbalken. Draußen packte er Herrn Schmölz, der
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