Es bleibt natürlich unter uns
noch genau so dastand wie er ihn verlassen hatte, und stieß ihn mit einiger Vehemenz in die ;Deutsche Eiche’ und in sein Schicksal hinein.
Dreitausendsiebenhundertvierundneunzig feste Bezieher hatten die ,Hauspostille’ kurz nach ihrem Erscheinen am 1. September bestellt. Es war für Lothar Lockner eine herbe Enttäuschung und er glaubte eine Woche lang, dem Chef nicht unter die Augen treten zu dürfen. Mit fünf- bis sechstausend Abonnenten hatte er fest gerechnet.
„Was haben Sie, Lockner?“ fragte ihn der alte Lobmüller, als er mit eingezogenem Genick schließlich doch einmal beim Chef antreten mußte, „Sie machen ein Gesicht wie die Katz, wenn sie donnern hört...“
„Dreitausendachthundert Abonnenten…“, sagte Lothar Lockner verzagt und ließ die Arme hängen.
Der Alte stieß seinen berühmten Pfiff durch den fehlenden Stiftzahn aus: „Sagen Sie mal, Sie junger Dutterer, was haben Sie sich denn eigentlich erwartet? Haben Sie gedacht, daß die Welt auf das Käsblattl gelauert hat wie auf den Salvatorausschank auf dem Nockherberg? Übrigens sind es inzwischen viertausendsechshundert geworden — und das finde ich groß-artig! Groß-ar-tig! Wartens Sie’s nur ab, wenn die Geschichte so weitergeht, dann haben Sie Ihren Vertrag in zwei oder drei Monaten in der Tasche. Unter Garantie!“
Ganz so rasch ging es nicht. Es waren genau drei Monate und vierzehn Tage seit dem Erscheinen des Blattes vergangen, als der Chef seine gesamte Redaktion einschließlich des Volontärs Wastl Kerschbaumer und der tüchtigen Sekretärin Klühspieß zu einem Gansbraten einlud. Der Vogel wog vierzehn Pfund, erfüllte schon vom Bratrohr aus das ganze Haus mit seinem leckeren Duft und lag schließlich, so groß wie ein Spanferkel und ebenso knusprig, auf der hölzernen Tranchiermulde. Er war mit Äpfeln und Majoran gefüllt, Berge von halbseidenen Knödeln und mehlig zarten Kartoffeln standen in großen Porzellanschüsseln auf dem Tisch, der alte Lobmüller hatte eine weiße Schürze über den mächtigen Bauch gebunden und zerlegte den Vogel eigenhändig und kunstgerecht. Das Fett lief beim Anschnitt der Keulen goldgelb über die braune Haut. Wastl Kerschbaumer lud sich drei Knödel auf den Teller, Fräulein Klühspieß zwei, Fräulein Elfriede Lobmüller einen halben und Lothar Lockner bediente sich aus der Kartoffelschüssel.
„Ich finde, Kartoffeln sind zum Gansbraten neutraler“, entschuldigte er sich, „zu der schönen Soße...“
„Ich hab’s sonst auch nicht mit dem Preußengemüs“, sagte der alte Lobmüller, „Kartoffeln schmecken am besten, wann’s die Sau g’fressen hat — aber zur Gans geht auch mir nichts darüber.“ Er legte sich den fetten Bürzel auf den Teller und ein mächtiges Stück von der Brust und überließ es den Gästen, nach Belieben zu wählen. — „So...“knurrte er behaglich, während er die Kartoffeln mit Soße übergoß und sie darin mit der Gabel zu zerquetschen begann, „und jetzt kein Wort weiter!“
Sie tafelten, bis von der Gans nur noch das nackte Gerippe auf der Holzmulde lag. Lothar Lockner öffnete heimlich den Gürtelknöpf an seinem Hosenbund und sah mit Vergnügen, daß auch Fräulein Klühspieß verstohlen an irgendeinem geheimnisvollen Reißverschluß unterhalb des Kleides in der Hüftgegend herumfummelte.
„Und jetzt ist ein Schnaps das einzige, was noch in mich reingeht... Elfriede, schenk mal ein!“
Fräulein Elfriede nahm aus einem silbernen Kühler, der mit milchigen Eisstücken gefüllt war, eine Sektflasche und wutzelte an dem Drahtverschluß, drehte am Korken und ließ ihn gegen die Decke fliegen. Als der Champagner schon in die spitzen Kelche schäumte, wußte Lothar Lockner nicht, was hier eigentlich gefeiert werden sollte. Hatte der Alte etwa Geburtstag? Man hätte anstandshalber wenigstens mit ein paar Blümchen antreten müssen...
„Ihr werdet von mir nicht verlangen, daß ich für die, paar Worte, die ich zu sagen habe, aufstehe...“, sagte der alte Lobmüller und hob seinen Kelch gegen Lothar Lockner, „und überhaupt, was soll ich viele Worte machen? Gestern nachmittag ist das achttausendste Abonnement auf unsere ,Hauspostille’ eingelaufen. Ich trinke diesen Schluck auf die nächsten achttausend und auf unsern Freund Lockner, der das hoffnungsvolle Ei sozusagen gelegt und ausgebrütet hat. Prosit! Möge es wachsen, blühen und gedeihen!“
Lothar Lockner schwamm es ein wenig vor den Augen. Er bekam ein Glas in die Hand gedrückt,
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