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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eine Garnison hinter den Ural versetzt zu werden?«
    »Großfürst Nikolai Alexandrowitsch wird kaum Verständnis haben für einen Freund, der eine Vierzehnjährige in einer Troika vergewaltigen wollte. Der Zar noch weniger! Oder sollen wir den Zaren um Vermittlung bitten?«
    Kramskoj schwieg. Die steife Moral Alexanders III., seine strenge Lebensführung, sein Begriff von ehelicher Treue waren in ganz Rußland bekannt und gaben in den Kreisen der hohen Herrschaften oft Anlaß zu Spötteleien. Fürst Bussarin sollte einmal gesagt haben: »Er betet vorher in der Hauskapelle, wenn er sich der Zarin nähern will …« Und in Offizierskreisen kursierte der Witz: »Wenn nachts die Glocken läuten, – was ist dann los? Der Zar hat mit Erfolg seiner Gemahlin beigewohnt!«
    Es war so sicher wie ein Ostergesang, daß Alexander III. sofort Fürst Kramskoj vom Hofe entfernte, wenn er die Sache mit der Troika erführe, auch wenn sie bald fünf Jahre zurücklag. Sünden verjähren nicht … das war ein bekanntes Wort des Zaren.
    »Schicken Sie Ihren Sekundanten zu Jussupow«, sagte Kramskoj rauh. »Ich werde mir überlegen, ob ich mich mit einem wildgewordenen Leutnant schlagen kann.«
    »Sie werden es, Valentin Wladimirowitsch! Und wenn ich Plakate drucken lassen muß und sie in Petersburg an die Hauswände klebe: ›Kramskoj ist ein Schwein!‹ Würde Ihnen das genügen?«
    »Das würde Ihre Karriere kosten, Soerenberg.«
    »Für die Ehre einer Dame wäre ich bereit, sie aufzugeben!«
    »Einer Dame?« wiederholte Kramskoj ironisch. »Sie veranstalten Suchrätsel, Boris Davidowitsch. Wo in Petersburg – sagen Sie mir das! – findet man noch eine Dame?«
    Zuerst kam Boris zurück in das Lokal. Er lächelte Matilda zu und brachte ihren Mantel mit. »Jetzt können wir fahren«, sagte er und lächelte. »Es ist wirklich ein schöner Tag, die Sonne scheint noch!«
    »Was haben Sie mit dem Fürsten gemacht?« Matilda schlüpfte in den Mantel und schlug den Pelzkragen hoch, als friere sie in dem geheizten Raum. »Boris, ich hätte es Ihnen nie erzählen dürfen! Sie machen sich unglücklich.«
    »Ich habe Valentin Wladimirowitsch nur empfohlen, Ihnen einen großen Strauß Rosen zu schicken. Es sei ein Ausdruck der Höflichkeit. Er wird es tun!«
    »Ich will aber keine Rosen von ihm.«
    »Eine kleine Wiedergutmachung!«
    Boris zog Matilda zur Tür. Der dicke Tschuptikow stand traurig im Vorraum und weinte fast. Er rang die Hände und schnaufte dabei, als müsse er seine Lungen herausblasen.
    »Waren die Hummer etwa nicht gut?« jammerte er. »Euer Hochwohlgeboren, es waren die besten seit zwei Jahren! Mit der Uhr in der Hand habe ich sie gekocht! Ich will nicht den Schatten einer Kopeke, wenn sie Ihnen trotzdem nicht geschmeckt haben!«
    »Sie waren vorzüglich, Wasja Kyrillowitsch, beruhigen Sie sich! Auch der Wein. Aber Demoiselle fühlt sich nicht wohl. Sie braucht frische Luft …«
    Tschuptikow nickte verständig. Er musterte Matilda und riß die Tür auf. Ja ja, so ein kommendes Kindchen! dachte er. Übelkeit kommt plötzlich hoch, schwindlig wird's einem im Kopf, der Magen zuckt … Nichts kann man da machen, als tief Luft holen und es tapfer ertragen! Kurz ist die Freude, aber neun Monate lang ist die Qual. Wenn man sich nicht entschließt, eine Hebamme mit zehn Rubeln zu Rate zu ziehen … Aber das wird der Herr Leutnant ja wohl selbst wissen! Die hochwohlgeborenen Herrchen haben da ihre festen Adressen …
    Während Boris und Matilda mit der Troika abfuhren, kam auch Fürst Kramskoj aus der Scheune zurück, notdürftig restauriert, und setzte sich mißmutig an den Tisch. Mit gerunzelter Stirn beobachtete er seinen Freund, der seiner Begleiterin gerade in die Bluse faßte.
    »Fahren wir zu mir!« rief Kramskoj plötzlich.
    Er warf fünf Rubel auf den Tisch und stand auf.
    Tschuptikow verstand die Welt nicht mehr. Seine besten Gäste liefen ihm heute davon, ohne gegessen zu haben. Was war passiert? Stank er etwa und roch es selbst nicht?
    »Ich muß mich betrinken!« schrie Fürst Kramskoj plötzlich hysterisch. »Und Fleisch muß ich in der Hand fühlen, weißes, warmes Fleisch!«
    Er riß die blonde Näherin an sich, die sofort zu kreischen begann, weil sie wußte, daß der Fürst davon nur noch mehr angeregt wurde. Er küßte sie wild und bog sie über den Tisch, seinen Leib gegen den ihren pressend.
    Na ja, dachte Tschuptikow mit säuerlicher Miene. Dagegen kommen meine Hummer und Braten nicht an! Da nutzt die beste Sauce

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