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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nichts und nicht das exotischste Gewürz. »Vergnügen Sie sich gut, Euer Hochwohlgeboren. Fünf Rubelchen Ausfall –, nun, das ist zu verschmerzen …«
    Er begleitete Kramskoj und seine Freunde bis vors Haus und wartete, bis ihre Troikas zwischen den hohen Birkenstämmen verschwunden waren und auf die Landstraße nach St. Petersburg einbogen.
    Dann setzte er sich an seinen guten alten Ofen, ein aus abgeschliffenen Flußsteinen gemauertes Monstrum, so gewaltig wie Wasja Kyrillowitsch selbst. Auf der oberen Plattform schlief er im Winter wie jeder anständige Russe, und nun starrte er in die Flammen seines offenen Herdes, gegenüber in der Küche.
    So ist das nun, philosophierte er, bei diesen reichen Herrchen. Der eine kann nicht in Ruhe essen, weil er sein Mädchen geschwängert hat … Der andere läßt die Mahlzeit stehen, weil er nicht schnell genug ins Bett kommen kann … Soll man sie wirklich beneiden, die feinen Herren? Wie ruhig lebt es sich da auf diesem Ofen! Da kann die Erde wackeln – nie fällt er zusammen.

VI
    Das Gasthaus der Familie Burjew lag an der Großen Newa in der Nähe des Menschikow-Palais auf der Insel Wassilij, gleich neben der St. Andreas-Basilika mit ihrer berühmten Rokokoikonostase.
    Bei Burjew kehrten die Kadetten ein, die im Menschikow-Palast wohnten und unterrichtet wurden; keine normalen Kadetten, sondern Söhne des Hochadels, die ausersehen waren, einmal Rußlands Armeen zu führen. So war Burjew binnen kurzer Zeit ein reicher Mann geworden, denn das Geld saß locker bei den Kadetten.
    Boris Davidowitsch kannte die Burjews von seiner eigenen Kadettenzeit her. Er hatte zu denen gehört, die ihre Zechen anschreiben ließen und sie dann heimlich von Burjew erlassen bekamen, weil er zwar einen guten Namen, aber keine überflüssigen Rubel besaß.
    Mit Burjew konnte man alles besprechen – er war nicht nur Wirt und Geldgeber, Beichtvater und Kuppler, Augenzeuge und Schwerhöriger, sondern er war auch ein wahrer Freund. Boris hatte er besonders in sein Herz geschlossen.
    »Sie sehen fast so aus wie mein Freund Jegor Tupalow«, hatte er einmal gesagt. »Er gehörte zu den Dekabristen. Am vierzehnten Dezember ritt er bei der Attacke gegen die zarentreuen Truppen mit; ein tapferer Mann, der nichts anderes im Sinn hatte, als Rußland eine neue, eine menschlichere Verfassung zu geben. Man weiß ja, wie das endete. Der Aufstand brach zusammen, die Anführer, allen voran Fürst Trubetzkoj, verbannte man nach Sibirien, aber Tupalow schleppte man in die Peter-und-Paul-Festung und führte an ihm aus, was Zar Alexander I. angedroht hatte: Man zerhieb ihm mit achthundert Stockschlägen den Körper, und als er wieder gehen konnte, war sein erster Weg zu einer Ziegelmauer, an der man ihn erschoß. – Ja, und wie dieser Tupalow sehen Sie fast aus, Boris Davidowitsch.«
    Als sie jetzt mit der Troika vor Burjews Haus hielten, schüttelte Matilda den Kopf. »Mir krampft sich noch die Kehle zu – ich kann nichts mehr essen …«
    »Einen Schluck heißen Tee! Wir haben ihn nach dieser Fahrt alle nötig.« Boris hob Matilda wieder aus den Fellen, der Kutscher stampfte mit den Pferden in den Gesindehof.
    Burjew fragte nicht, als er Boris mit einer jungen Dame hereinkommen sah. Er führte sie in ein Hinterzimmer, einen kleinen, mit rotem Samt ausgeschlagenen Salon, der keine Fenster hatte, nur diese eine Tür. Der Raum wurde von einer altrussischen Öllampe erleuchtet.
    Neben einem runden Tisch und zwei bequemen Sesseln war das beherrschende Möbelstück ein breiter Diwan mit seidenen Kissen und einer Decke aus weichen Biberfellen.
    Boris schüttelte leicht den Kopf, als er hinter Matilda das Zimmer betrat. Burjew antwortete mit einem Achselzucken. Kann man's wissen, sollte das heißen? Bisher war es den jungen Herrn Offizieren immer recht, dieses Zimmer zu beziehen, wenn sie mit einer jungen hübschen Dame kamen. Wieso heute nicht?
    »Zwei Tassen Tee und etwas Gebäck«, sagte Boris, als Burjew erstaunt an der Tür stehenblieb.
    »Tee? Und Champagner hinterher?«
    »Nur Tee, Matwej Gregorewitsch.« Er beugte sich über Matilda und sagte leise zu ihr: »Nur einen Augenblick, Demoiselle …« Dann drängte er Burjew aus dem Zimmer. Im Flur atmete dieser tief auf und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die geschlossene Tür.
    »Das ist etwas Neues, Boris Davidowitsch. Wenn Sie bisher mit einer Dame kamen, dann …«
    »Ich brauche dich, Burjew«, sagte Boris von Soerenberg ernst. »Eine heiße Sache. Du

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