Es blieb nur ein rotes Segel
mußt mir schwören, zu jedermann den Mund zu halten, auch zu deiner Frau.«
»Wie kann ich schwören?« Burjew lächelte schief. »Sie wissen, ich gehöre zu den heimlichen Anarchisten, zu den Gottlosen, den Freidenkern. Bei wem soll ich da schwören?!«
»Auf das, was dir das liebste ist!«
»Mein Portemonnaie …«
»Welch ein Gauner! Sonst hast du nichts?«
»Ich schwöre bei unserer Freundschaft …« Das klang sehr ernst. »Nun sag, was so heiß ist.«
»Ich brauche dich als Sekundanten …«
»Du bist verrückt, Boris!«
»Das Duell findet im Palais Jussupow statt. Schwere Säbel.«
»Fürst Jussupow? Bist du völlig von Sinnen?« Burjew lehnte sich an die Wand, als würden seine Beine kraftlos. »Du hast wirklich Jussupow gefordert?«
»Nicht ihn. Einen Freund von ihm. Fürst Kramskoj …«
»Wirf dich auf dein Pferd und reite, so schnell du kannst, aus Petersburg fort! Versuche, die deutsche Grenze zu erreichen!«
»Ich weiß, woran du denkst. Hinter Kramskoj steht der Zarewitsch!«
»Sibirien ist dir sicher!« Burjew rang die Hände. »Und natürlich wegen einer Frau. Ist es so? Beim heiligen Semjon … ist eine Frau das wert? Gibt es nicht Tausende von Frauen in Rußland, in der Welt, die dir gefallen können? Warum die Ehre dieser einen mit dem eigenen Leben verteidigen? Boris, Kramskoj ist ein guter Fechter. Er ist ein fabelhafter Schütze. Und er wird nie verlieren, auch wenn er verliert. Nach dem Duell bist immer du der Geschlagene! Du wirst nicht so freiwillig vom Duellplatz weggehen, wie du gekommen bist. Sie werden dich verhaften.«
»Ein ganz stilles Treffen wird es werden.« Boris schüttelte den Kopf. »Kramskoj kann es sich nicht leisten, das Duell bekannt werden zu lassen.«
»Er wird doppelt kommen«, sagte Burjew. Tiefe Sorge klang aus seiner Stimme. »Sichtbar – er! Unsichtbar der Mörder, der dich nach dem Duell in Empfang nimmt. Du wirst verschwunden sein, irgendwo verscharrt …«
»Dagegen werden wir Vorsorge treffen. Wieviel Männer kannst du zusammenbringen?«
»Soviel du willst. O Himmel, willst du mit einer eigenen Armee bei Jussupow anrücken?«
»Zehn Mann werden genügen. Kramskoj soll sehen, daß er mich nicht einfach verschwinden lassen kann. Die zehn sollen vor dem Palais am Ufer der Moika warten, bis wir wieder hinauskommen.« Boris lachte leise, aber es klang sehr gepreßt. »Keine Sorge, Burjew. Fürst Jussupow ist ein Mann, der sich nie auf so etwas einlassen würde. Auf dem Namen Jussupow hat noch nie ein Flecken geklebt.« Er klopfte Burjew auf die Schulter und wandte sich wieder der Tür des Separees zu. »Kein Wort zu Matilda! Sie weiß nichts davon …«
»Und für den Fall, daß Kramskoj dich tötet?«
»Dann bin ich für sie verschollen. Ein Rätsel, mit dem sie fertig werden wird. Gewinnt Kramskoj das Duell, wird man meinen Körper sowieso heimlich fortschaffen. Hindere sie nicht daran … es ist besser so.«
»Ich werde dich mitnehmen«, sagte Burjew dumpf. »Ich werde dich anständig begraben, wie du es verdient hast. Man soll dich nicht verscharren wie einen totgeschlagenen Hund.«
Der helle chinesische Tee mit dem Duft von Orangen war köstlich. Burjew brachte ihn selbst und servierte in Fett gebackenes Honiggebäck dazu, bestreut mit Puderzucker; sehr süß – aber von einem verführerischen Wohlgeschmack. Sie fuhren zurück über die Brücken im Abendrot, das die Türme und Dächer, Straßen und Kanäle, Häuser und die Schneedecke Petersburgs für ein paar kurze Minuten in einen einzigen Zaubergarten verwandelte – dick vermummt in Pelzen. Sie überquerten die Brücken und fuhren am Senatspalast vorbei, dann bogen sie in den breiten Wosnessenskij-Prospekt ein, eine der Prachtstraßen Petersburgs. Hinter ihnen lag das lange, alles beherrschende Gebäude der Admiralität, in dessen Fenstern das Goldrot der versinkenden Sonne schimmerte.
Das auf einem hohen Granitblock stehende Reiterstandbild Peters des Großen, dieses Denkmal voller Wildheit und Kraft, das Alexander Puschkin in seinem Gedicht ›Der eherne Reiter‹ besungen hat; die Anlagen des Alexandergartens mit ihren großen Springbrunnen, der jetzt allerdings mit Eis überzogen war; und – vor ihnen – am Worooskiplatz, dem herrlichsten Platz von St. Petersburg, die 102 Meter hohe goldene, gewaltige Kuppel der Kathedrale St. Isaak von Kiew, von der man sagt, sie sei schöner als die Kuppel des Petersdomes zu Rom – alles war überzogen vom Schein der blutrot untergehenden
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