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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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des Nikolai Nikolajewitsch, des Bruders des Zaren, hatte sich von Baldurian malen lassen, auf einem Diwan liegend, in der Art der berühmten ›Maja‹ von dem spanischen Maler Goya. Nur blieb sie natürlich angezogen, denn das Bild sollte in ihrem Salon hängen.
    Dieser Oleg Matwejewitsch hatte also auch Rosalia gemalt, mit gespreizten Beinen, aufgestützten Armen und gewaltigen, sich vorwölbenden Brüsten. Obwohl die Bondarewa sittsam bekleidet war, malte er mit viel Phantasie dieses Prachtweib als nackten Fleischberg – ein Anblick, vor dem Rubens neidvoll erblaßt wäre.
    So war denn auch die damalige Kunstausstellung ein voller Erfolg für Baldurian – und sie war zugleich ein Skandal, den der Maler auslöste. Man zeigte das Gemälde der Bondarewa nur in einem besonderen Kabinett der Gemäldegalerie, und jeder, der aus dem Zimmerchen wieder herauskam, hatte – je nach Temperament – einen forschen oder einen verschleierten Blick, jedenfalls mit geröteten Wangen.
    Die Damen waren natürlich entsetzt, obgleich auch sie das Kabinett betraten, um sich von ›diesem Lustteufel zu überzeugen‹ – und ihn lebhaft anzuklagen. Und doch wurde dieses Bild für Oleg Matwejewitsch der ganz große Durchbruch zum Modemaler der Petersburger Gesellschaft.
    Es wurde eine teure, verschwiegene Mode unter den Kavalieren der Stadt, ihre Geliebten von Baldurian malen zu lassen – und zwar nackt! Das war vor drei Jahren gewesen – seit einem Jahr besaß Oleg Matwejewitsch ein kleines Palais an der Großen Newa.
    Seine damalige ›Muse‹ gab er nie bekannt, Rosalia blieb anonym und arm. Zwölf Rubel hatte sie für das Modellsitzen bekommen und den Betrag ganz in Ordnung gefunden.
    Matilda stieß die Tür auf. Dann prallte sie zurück und hielt sich die Nase zu. Eine Wolke von süßem Duft quoll ihr entgegen, ein so konzentrierter Geruch, daß man kaum noch atmen konnte.
    Sie starrte ihre Mutter an, rannte zum Fenster, riß es auf und wedelte mit beiden Armen, um die süße Wolke in Bewegung zu bringen.
    »Was ist denn das, Mama?« rief sie dabei. »Was ist denn passiert? Wo kommt dieser abscheuliche Geruch her?«
    »Aus Paris!« Rosalia mußte wieder aufstoßen und schlug sich gegen den Magen. »Ist das ein Duft, was? Eine ganze Flasche voll! Eine Riesenflasche! Direkt aus Paris, das hat man mir geschworen.«
    Sie griff neben sich und hob eine wertvolle geschliffene Kristallkaraffe gegen das Licht. Dann schwenkte sie das Gefäß hin und her.
    »Hier ist sie! Aus Paris! Hast du schon jemals so etwas gesehen? So etwas gerochen? Selbst einen Namen hat der Gestank!«
    »La nuit des femmes …« Matilda lehnte sich an das offene Fenster. Der Frost zog in das Zimmer, aber er hatte es nicht leicht, gegen den schweren Duft anzukommen. Es war, als klebe der schon an den Wänden …
    »Woher hast du das Parfüm, Mama?«
    »Ich habe es nur zur Aufbewahrung übernommen.« Rosalia Antonowna schwankte im Sitzen. Die frische Luft war wie ein Angriff; der Alkohol in ihr revoltierte. »Es gehört dir, dir allein, mein Schwänchen! Oh, laß dich umarmen, mein Augenlicht! Ein Geschenk ist es, aus Kristall! Hast du so etwas schon gesehen? Ich nicht. Und ich habe bei Grafen geputzt und beobachtet, was die feinen Dämchen über ihre Brüste träufeln. So etwas nicht. Das gibt es nie wieder! Nur für dich ist es – und Rosen hat er geschickt! Jetzt Rosen! Sieh dir das an, mein Täubchen!«
    Matilda drehte sich um. In der Ecke, dort, wo unter einer kleinen Ikone das Ewige Licht brannte, stand auf einem Hocker eine Tonvase mit einem breit ausladenden Strauß weißer Rosen. Ein rot-weißes Band hielt die Stiele zusammen.
    »Fünfzig Stück sind es!« grölte Rosalia. »Ich habe sie gezählt – genau fünfzig. Ein Vermögen, mein Liebling. Weißt du, was eine Rose bei dem Frost kostet?«
    »Wo sind sie her?«
    Matilda rührte sich nicht von der Stelle. Ihr Rücken wurde kalt im Wind, der durch das Fenster blies.
    »Wer hat sie gebracht?«
    »Ein Reiter in einer Uniform mit goldenen Tressen. Einen Pelz hatte er an! Einen Pelz, sage ich! Der feinste Biber. Und was sagt er, als er hereinkommt mit dem Rosenstrauß? ›Madame, ich soll das abgeben!‹ Und ich frage sofort: ›Wer schickt hier Rosen? Hier sind sie falsch. Das Hurenhaus ist zwei Nummern nach links …‹ Und der Reiter sagt ganz höflich: ›Madame, die Adresse stimmt. Hier wohnt doch Matilda Felixowna?‹ – Was sollte ich machen? Er stellt also die Rosen hin, gibt mir die

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