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Es blieb nur ein rotes Segel

Es blieb nur ein rotes Segel

Titel: Es blieb nur ein rotes Segel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den langen Wegen und den argen Reisestrapazen sehr abgespannt aus, er hatte sich außerdem, wie er erzählte, bei seiner Fahrt durch Polen verletzt, weil ein Kutscher den Schlitten umstürzen ließ. Deswegen trug er auch den linken Arm in einer Binde, nahm die Huldigungen seines Personals entgegen, ließ sich den Saum seines Pelzmantels küssen und bestellte noch am selben Abend einige recht finster aussehende Männer in sein Palais.
    »Ich zahle tausend Goldrubel demjenigen, der mir die rechte Hand von Boris Davidowitsch Soerenberg bringt!« sagte er mit bebender Stimme. »Nur die rechte Hand, das genügt! Sein Leben interessiert mich nicht. Ich brauche seine rechte Hand, um sie einbalsamiert auf meinem Schreibtisch stehen zu haben! Tausend Goldrubel – und ein freies Leben in Frankreich!«
    Die Männer schwiegen. Sie hatten schon andere Aufträge für weniger Lohn ausgeführt. Ein Menschenleben galt ihnen soviel wie der Schrei eines Huhns, ehe man es köpft.
    Die rechte Hand, dachten sie. Welch ein Auftrag! Warum sagt er nicht: den Kopf? Es kommt auf das gleiche heraus …
    Kramskoj war sehr zufrieden, als die Männer gegangen waren. Er wäre nicht so freudig zu seinem Wein gegangen, wenn er gewußt hätte, daß die vier finsteren Gestalten von zehn ebenso verwegenen Kerlen abgefangen wurden. Man zerrte die vier Kerle in zwei Kutschen, raste mit ihnen hinaus in eine einsame Gegend der kleinen Newa und hier, weit draußen, im Sumpfgebiet der Krestowskij-Insel, wo um diese Zeit nur die Winde heulten und die Füchse froren, stieß man sie ins Freie und verhörte sie.
    Drei der Kerle schwiegen, als hätten sie keine Zunge.
    Man machte wenig Aufhebens mit ihnen, stieß ihnen einen Dolch in den Rücken und schlug ihnen, zur Sicherheit, mit kurzen Eisenstangen noch die Schädeldecke ein. Das überzeugte den vierten Mann, der nun von den tausend Goldrubeln und der rechten Hand als Schreibtischschmuck erzählte.
    Die unbekannten Zehn lobten ihn, erstachen ihn ebenfalls und trennten dann seine rechte Hand vom Gelenk. Die Leichen warfen sie in die kleine Newa, nachdem sie mit den Eisenstangen ein Loch ins Eis gestoßen hatten.
    Es war im Winter die probateste Art, Körper verschwinden zu lassen. Wenn sie im Frühjahr dann irgendwo auftauchten, erkannte sie keiner wieder.
    In der Nacht wurde Fürst Jussupow aus dem Bett geholt. Ein Mensch sei da, berichtete der Leiblakai, der sich nicht abweisen lasse und behaupte, Hoheit warte auf ihn.
    Jussupow zog seinen seidenen Morgenmantel über und ging in sein Arbeitszimmer. Ein durchgefrorenes Subjekt mit rotem Gesicht und tropfender Nase verbeugte sich tief. Aus seinem Mantel sickerte Tauwasser auf den wertvollen Teppich.
    »Was soll das?« fragte der Fürst ungehalten. »Was eilt denn so, Tulpanow?«
    »Wir haben den ersten Anschlag vereitelt, Euer Hochwohlgeboren«, berichtete Tulpanow demütig. Er wohnte mit vier Geschwistern in einem Loch von Zimmer und war jetzt stolz, etwas Großes geleistet zu haben.
    »Vier Kerle waren es. Sie sollten dem Fürsten Kramskoj die rechte Hand von Boris Davidowitsch bringen.«
    Jussupow spürte, wie sich auf seiner Haut kalte Punkte bildeten. »Und?« fragte er kurz.
    »Der Fürst wird seine Hand bekommen.«
    Jussupow fror nun wirklich. Er fragte nicht weiter, sondern wischte sich nur mit zitternder Hand übers Gesicht. Dann sagte er heiser:
    »Ihr hattet den Auftrag, nur abzuwehren! Sonst nichts!«
    »Mehr haben wir Euer Hochwohlgeboren auch nicht zu melden. Wir stehen immer zu Diensten!«
    »Euer Geld könnt ihr euch morgen früh in der Kanzlei abholen. Jeder dreihundert Rubel!«
    »Gott segne Sie«, sagte der Mann gläubig. »Sollen wir weiter in dieser Angelegenheit aufpassen?«
    »Ja!«
    Jussupow drehte sich um und lief aus dem Zimmer. Ihm war, als habe er Kloakengeruch einatmen müssen. Er lief an seinem Schlafzimmer vorbei in die kleine Privatkapelle und kniete dort auf dem Betstuhl vor der goldenen Ikonenwand nieder. Tief senkte er den Kopf und stieß mit der Stirn gegen das Betgestell.
    »Gott, Du bist mein Zeuge, das habe ich nicht gewollt!« stammelte er zerknirscht. »Wo soll das hinführen? Wie soll das enden? Was kann ich tun? Laß einen Blitz herniederfahren und Kramskoj erschlagen! Ich flehe Dich an, Gott …«
    Ob Gott ihn erhört hatte? Eines war merkwürdig: Am nächsten Morgen brachte ein unbekannter Bote, der schnell wieder verschwand, in das Kramskojpalais eine Blechschachtel.
    Der Lakai, der die Schachtel neugierig als

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