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Es darf auch mal Champagner sein

Es darf auch mal Champagner sein

Titel: Es darf auch mal Champagner sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erma Bombeck
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anfangen!«) Ich machte mir Sorgen, wenn sie keinen Job fanden (»Denk an meine Worte, er gerät nach deinem Bruder Richard, der bekam auch erst mit 33 eine Stelle als Zeitungsjunge!«)
    Und eine müde Stimme in meinem Innern fragte beharrlich: »Warum wirst du nicht erwachsen?«
    Elternsein ist schmerzhaft, mein lieber Mr. Matterling. Und bringt Enttäuschungen.
    Zum Beispiel als ich mich über meinen Jungen beugte, um ihm einen Gutenachtkuss zu geben, und er sich zur Wand drehte und sagte: »Also dann, tschüss!«
    Oder als ich zwei Halbzeiten lang in strömendem Regen dasaß und nachher schwere Vorwürfe einstecken musste, weil ich die einzige Mutter mit Regenschirm unter den Zuschauern gewesen war.
    Oder als man mir das erste Mal entgegenschleuderte: »Ich will nicht zur Oma. Dort ist es langweilig!«
    Als sie mich am Muttertag vergaßen und kühl erklärten: »Du bist selber schuld, du hast uns diese Woche kein Taschengeld gegeben.«
    Als sie das Haus verließen, ohne auf Wiedersehen zu sagen.
    Ärger und Unmut, die lassen sich nicht vermeiden, Mr. Matterling. Wollen Sie die unterschlagen?
    Die Tage, an denen ich mir vorkam wie ein Dienstbote, der im Hause wohnt und verpflegt wird? Die Tage, an denen mich die eigene Unzulänglichkeit quälte: Was ziehe ich da für Kinder groß, die einen Hamster verhungern lassen? Was sind das für Kinder, die während der Nationalhymne kichern? Was sind das für Kinder, die mir eisern ins Gesicht sagen, die Welt, die wir ihnen vererbten, sei alles andere als in Ordnung? Was sind das für Kinder, die eine Wasserpistolenschlacht in der Kirche mit Weihwasser austragen?
    »Werdet gefälligst erwachsen, ja?«
    Und dann die Tage, an denen ich Mitleid mit ihnen hatte. Und mich die Zärtlichkeit für sie so überschwemmte, dass ich meinte, ich platze, wenn ich sie nicht in die Arme nehmen darf.
    Wenn so ein armes Wurm, halb Kind, halb schon erwachsen, sich abmüht, mit den Widersprüchlichkeiten des Lebens fertig zu werden, mit der Verlogenheit anderer, den Ratschlägen, Regeln und Verantwortungen.
    Da gab es die Angebetete, die mit einem anderen ausging.
    Die Auszeichnung, die der beste Freund bekam.
    Den negativen Bescheid nach der Aufnahmeprüfung.
    Das »Ferner liefen« bei einem Wettkampf.
    Die Ehrungen, die ein anderer einheimste.
    Und bei alledem kamen sie zu mir mit der Frage »Warum?«.
    Und dabei klingelte gerade das Telefon, und ich gab dem Hund Wurmmittel ein und hielt ihm die Nase zu und in zehn Minuten sollte ich meinen Mann abholen, hatte einen Kuchen im Ofen und an der Tür war ein Vertreter. Dann murmelte ich einen Gemeinplatz über Abraham Lincoln, der auch tausend Nackenschläge einstecken musste und es spät im Leben zu etwas gebracht hatte, und ermahnte sie - beinahe scheinheilig -: »So was gehört zum Erwachsenwerden. Also - warum wirst du es nicht?«
    Auch Freuden gab es, Augenblicke inniger Zusammengehörigkeit. Das seltsam herzergreifende Gefühl, wenn man beobachtete, mit welch behutsamer Zärtlichkeit sie ein fremdes Baby auf den Arm nahmen, mit einem Ausdruck, den ich noch nie an ihnen gesehen hatte.
    Nie werde ich Mr. Matterling verzeihen, dass er mich nicht gewarnt hat, gewarnt vor den Augenblicken nackter Panik. Es ist doch noch nicht so weit? Es kann doch noch gar nicht so weit sein! Ich bin doch noch nicht fertig. Ich habe ihnen noch so vieles beizubringen, ich muss sie noch so oft ermahnen...
    Ich habe ja kaum Zeit gehabt, sie lieb zu haben.
    Denn darum geht es, nicht wahr? Haben die Kinder mich jemals lächeln sehen? Haben sie je begriffen, warum ich weinte? Habe ich zu viel geredet? Zu wenig gesagt? Habe ich sie je angeschaut und wirklich gesehen? Kenne ich sie überhaupt? Oder habe ich ein Leben lang immer nur gefragt? »Wann wirst du endlich erwachsen?«
    Ich gehe durchs Haus und schließe ganz mechanisch die Eisschranktür, die bereits zu ist. Ich bücke mich, um ein Handtuch aufzuheben, das gar nicht auf dem Boden liegt, sondern sauber und ordentlich am Haken hängt. Aus alter Gewohnheit streiche ich glatt, was keine Falten hat. Ich nehme den Hörer des Telefons ab, das gar nicht geklingelt hat, und verstecke den Nachtisch für heute Abend, nach dem niemand mehr suchen wird, vorsichtshalber im Backofen.
    Ich rufe laut: »Warum werdet ihr nicht endlich erwachsen?«
    Die Stille, die nun dort herrscht, wo einmal Angst, Enttäuschung, Wut, Mitgefühl, Freude und Liebe waren, antwortet mir: »Wir sind es.«

Kein Weg zu weit
    Das Weißschwanzgnu ist

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