Es duftet nach Liebe (German Edition)
denken und reden.“
Ich schüttele hastig den Kopf. „Das meine ich nicht. Ich will dich nicht benutzen, das ist der große Unterschied. Ich will … ich will …“ Ich weiß es selbst nicht und senke den Kopf. Ich spüre, wie er mich fest umfasst und an sich zieht. Die Wärme seines Körpers hüllt mich ein, seine Lippen drücken sich unmerklich auf meine Wange. Etwas würgt mich. Ich beginne, zu meinem eigenen Entsetzen zu zittern. Er streichelt meinen Rücken. Dann ist es vorbei. Ich weine genau wie er vor ein paar Stunden. Ich weine nie. Jetzt allerdings kann ich nicht an mich halten. Ich schäme mich und zugleich ist es eine Erleichterung. Er lässt mich trauern, während er fortfährt, mich zu berühren. Schließlich fange ich mich halbwegs wieder und frage mit vermutlich arg geschwollenem Gesicht: „Otto?“
Er lächelt mich wissend an. Ich strecke die Hand aus und umspanne seinen Nacken.
„Ich bleibe hier“, sage ich schließlich von jäher Entschlossenheit durchflossen.
„Was willst du denn hier?“, fragt er mich. „Fliehen?“
„Nein“, erwidere ich bestimmt. „Ich will anfangen! Endlich anfangen! Und ich will meinen Otto, wie es die Sternschnuppe versprochen hat!“ Ich weiß, das ist albern, mag sich jemand anders dafür schämen – wozu gibt es notfalls Personal?
Er belächelt mich verständlicherweise. „Wenn das so einfach wäre. Ich zähle da wohl eher nicht“, erinnert er mich.
„Willst du in deiner Hütte bleiben oder dein Leben wiedergewinnen? Lass uns aufstehen! Lass uns leben!“, fordere ich ihn auf.
Er hebt den Kopf. „Leben …“, sinniert er. „Wie fühlt sich das noch mal an?“
Ich reiße ihn an mich, sodass er überrascht aufkeucht, und küsse ihn wild. Bald kommt er mir entgegen. „So!“, keuche ich. „So fühlt sich das an!“
„Du bist echt ganz schön durchgedreht“, bemerkt er schwer atmend, nachdem er meine Attacke tapfer überlebt hat.
„Du etwa nicht?“, nehme ich ihn in die Zange.
„Na gut, ich gestehe“, pflichtet er mir bei. „Was du da sagst, ist trotzdem ziemlich bekloppt. Wir kennen uns nicht mal einen Tag, und du willst gleich so was!“
„Manchmal muss man eben etwas wagen! Manchmal muss man einfach zugreifen, wer wartet und zaudert, verliert. Ich habe lange genug starr herumgehockt. Mir reicht’s!“, verkünde ich. „Was ist mir dir?“
Er sieht mich nachdenklich an. „Natürlich wünsche ich mir, dass es besser wird. Am Anfang nicht, da dachte ich, ich bekomme eben das, was ich verdiene. Vielleicht ist es schlecht von mir, dass ich inzwischen wieder daran denken kann, dass es vielleicht wirklich irgendwann etwas Besseres gibt. Eine Zukunft. Ich bin allerdings nicht Aschenputtel! Es reicht nicht, dass mir ein stinkreicher Wirtschaftsfutzi den passenden Schuh andreht und alles wird gut!“, erklärt er mir.
„Das behaupte ich auch gar nicht. Besser ist nicht gut, doch immerhin etwas. Ich will dir hier auch nichts auf dem Silbertablett servieren, das du demütig winselnd annehmen sollst. So was kann ich ehrlich gesagt nämlich überhaupt nicht leiden, obwohl ich es mir ständig anhören muss. Ich bin bisher immer über vertraute Pfade gegangen, doch die führen mich nirgendwohin. Ich will runter vom Weg, doch nicht direkt auf den nächsten Abgrund zu. Wenn man über unbekanntes Gelände mit ungewissem Ziel läuft, dann ist man zu zweit doch klüger bestellt? Ich biete dir keine seidenen Pantoletten an, sondern Wanderschuhe, die vielleicht auch zwicken mögen, aber dann an deinen Füßen stecken. Ich will keinen Lakaien – für so etwas wärst du wohl auch kaum der Traumkandidat – sondern Gesellschaft. Ich weiß nicht, wohin es geht, lediglich vorwärts. Wir können zusammen loslaufen, auch wenn wir nicht sicher sein können, ob wir auch gemeinsam irgendwann irgendwo hinkommen werden“, fabuliere ich.
„Das ändert nichts an der Tatsache, dass du es bist, der die Wanderstiefel stellt“, sträubt er sich.
Ich greife erneut nach ihm. Er entzieht sich mir nicht. „Stimmt. Ich kann das, genau wie vorhin mit den Oliven. Ich komme nicht aus dem Nirgendwo mit gar nichts im Gepäck – in vielerlei Hinsicht. Otto, wenn du laufen willst, dann brauchst du eben geeignete Schuhe, und die kann und will ich dir geben. Ich trage dieselben. Vielleicht bekomme ich schon nach hundert Metern Blasen, fange an zu jammern und dann muss doch jemand da sein, der mir sagt, dass ich mich nicht so anstellen soll? Es ist nicht uneigennützig,
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