Es duftet nach Liebe (German Edition)
weichen, warmen Körper, der hier eigentlich hingehörte. Eigentlich. Doch Mei musste feststellen, dass sie leider alleine im Bett lag. Wie so oft zu dieser morgendlichen Stunde eines Sonntags. Trotz dieses üblichen, zurückgelassenen Zustandes, schob sich kein bisschen Bedauern in ihre gute Laune. Stattdessen durchflutete sie eine Wärme, die sie sicher und geborgen fühlen ließ.
Als sie sich umdrehte, ihr Gesicht den Sonnenstrahlen zuwandte, musste sie feststellen, dass die übliche Bettflucht wohl bereits eine kleine Weile der Fall war. Das Kopfkissen neben ihr war längst kalt, nur eine zarte Note nach Hagelzucker erinnerte daran, dass sie die Nacht nicht alleine verbracht hatte. Dieser Duft, der zuverlässig Erinnerungen äußerst lebendig vor ihre Augen schob und ihr dieses Lächeln auf die Lippen zauberte.
Nein, allein war sie die letzte Nacht wirklich nicht gewesen.
Noch den Schlaf in ihren Gliedern spürend, rutschte Mei ein Stückchen weiter auf das Kopfkissen, presste ihre Nase hinein, sog alles von dem süßen Aroma auf, was sie erschnuppern konnte.
Doch schon bald reichte ihr dieser letzte Rest nicht mehr aus, wollte sie mehr von dieser verführerischen duftenden Nähe haben. Wollte diese angenehme Wärme spüren und die dazugehörigen Küsse auf ihrer Haut genießen.
Energisch setzte sie sich auf, schlug die Bettdecke zurück und atmete tief ein. Das Lächeln auf ihren Lippen wurde immer verheißungsvoller, in ihre Augen stahl sich ein Glitzern, welches sogar die Sonne neidisch gemacht hätte.
Noch gut erinnerte sie sich an den ersten Morgen dieser Art, der nun schon ein gutes halbes Jahr zurücklag. Aber der Duft, welcher sie aus ihren Träumen gelockt hatte, war der gleiche wie heute. Diese betörende, sinnliche Note bereicherte ihr Leben, prickelte auf ihren Lippen und ließ ihren Kopf herrlich leicht werden.
Eine einmalige Mischung aus Vanille, Zucker, klarem Wasser und purer Reinheit. Einmalig eben. Nur zu beschreiben mit einem Wort.
Hagelzucker. Die absolute Verführung der Sinne.
Damals wie heute erhob sie sich langsam, warf sich den blauen Satinmorgenmantel über die Schultern, der sich so schön kühl auf der Haut anfühlte und bei jeder Bewegung leise knisterte.
Mei beugte sich über die Brüstung ihrer Schlafebene. Von hier aus konnte man mit einem einzigen Blick das gesamte Wohnzimmer ihres Lofts überblicken.
Und da lag sie.
Ein Anblick, der Mei immer wieder in den Magen fuhr und die Schmetterlinge dort zum Tanzen brachte.
Wunderschön, rein, unschuldig.
Ihre flammend-roten Haare flossen über den flauschigen Teppich und bildeten einen wilden Kontrast zu den cremeweißen Fasern. Marinas Körper war nur in ein weißes Hemd gehüllt, ihre langen, elfenbeinfarbenen Beine hatte sie an der Wand abgestützt. Eine Hand hielt das Buch, offensichtlich ein spannender Krimi, so wie die Finger ihrer anderen Hand sich halt suchend in die Faser des Läufers verfingen. Marinas Zehen wippten leicht aufgeregt gegen das rohe Mauerwerk der Loftwand.
Die Sonne fiel genau auf die Stelle, an der die Bäckerin auf dem Boden lag, und ließ die roten Locken noch feuriger glänzen. Lud die schwarzhaarige Beobachterin ein, mit ihren Fingern hindurchzufahren und zu genießen.
Allein die Vorstellung der zarten Haut unter den eigenen Händen bescherte ihr wohlige Schauer. Unwillkürlich hielt Mei ihren Atem an, merkte es selbst nicht einmal, wie sehr sie dieser einmalige Anblick, der sich ihr in einer unbeschreiblichen Vollkommenheit präsentierte, erregte und innerlich beben ließ.
Plötzlich bewegte sich die junge Frau, ihre Hand hob sich vom Boden, der Zeigefinger tippte leicht gegen ihren geöffneten Mund. Und zerstörte das betörende Gesamtbild um keine einzige Nuance. Unbewusst biss Mei sich auf die Lippe, um das verführerische Bild nicht mit einem Seufzer zu stören.
Marina hatte inzwischen die Seite ihres Buches umgeschlagen, ihre Hand war wieder im weichen Meer des Teppichs abgetaucht.
Mei liebte dieses Bild, das sich ihr regelmäßig bot. Und das beinahe jeden Sonntagmorgen. Sie selbst hielt nicht viel vom frühen Aufstehen an den Wochenenden. Nicht dass sie unter der Woche wesentlich eher unterwegs war. Als Architektin begann ihr Tag selten vor 10:00 Uhr, endete dafür aber auch normalerweise erst nach 21:00 Uhr am Abend. Oder auch einfach mal gar nicht. Je nach Auftragslage oder Wettbewerbsstadium. Ihre Freundin hingegen konnte ihre innere Uhr auch an arbeitsfreien Tagen nicht
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