ES: Eine Villa wird zur Leichenhalle (German Edition)
verstohlen.
„Und falls doch, werden wir es ausgraben“, bestätigte Gregory. Er ging zur Seite und nahm das Transportgitter für die Bocciakugeln auf. Gregory schaute in Richtung der Kugeln und hatte irgendwie das Gefühl, den Gesamteindruck über die Positionen der Kugel anders in Erinnerung zu haben. Er zog Jan an seiner Jacke zu ihm und meinte: „Fällt dir was an den Kugeln auf?“ Jan schüttelte den Kopf und sagte: „Nee, was soll mir auffallen? Du hast sie noch nicht aufgesammelt und ins Körbchen gepackt. Sonst fällt mir nix auf.“ „Hm“, gab Gregory von sich und war mit dem Geschehen irgendwie nicht hundertprozentig einverstanden. „Ok“, sagte er und sammelte dabei die Kugeln ein. „Versuch dich zu erinnern. Wann fehlte die erste Person?“ Er schaute sehr erwartungsvoll zu Jan. Der stand da und schien ernsthaft zu grübeln.
„Ich muss nachdenken“, sagte Jan. „Ich hab mir nie darüber Gedanken gemacht“, fügte er dazu. „Wenn man die Dinge mit einer anderen Sichtweise beguckt, erscheint einem plötzlich alles ganz anders“, erkannte Jan. „Ich hätte mich schon lange fragen können, was die Herrschaften zwischen Mittag- und Abendessen treiben. Sie gehen hoch in ihre Zimmer und kommen pünktlich wie eine Atomuhr wieder runter. Aber was treiben die beiden in dieser Zeit. Jeden verdammten Tag? Jeden verdammten Monat und jedes verdammte Jahr?“
„Genau! Endlich läufst du in meine Richtung“, freute sich Gregory. „Hier ist doch irgendwas faul“, sagte er. „Oberfaul sogar!“
„Nach knapp einem Jahr!“ Jan schien wie ausgewechselt zu sein. „Hörst du, nach fast einem Jahr“, sagte er wieder.
„Was meinst du?“ Gregory konnte Jans Geistesblitzen momentan nicht folgen.
„Nach knapp einem Jahr, fehlte die erste Person am Tisch!“
„Aha, das meinst du, hm hm. Knapp sechs Jahre bist du hier, nach knapp einem Jahr fehlte die erste Person, also seit – pi mal Daumen – fünf Jahren fehlt diese Person am Tisch. Ok.“ Gregory wusste nicht wo er anzusetzen hätte. Am Einfachsten wäre es gewesen, die Herrschaften darauf anzusprechen. Aber dieser Schuss könnte auch nach hinten losgehen und dabei würde die ‚Stehlampe’ wie ein Kindergeburtstag ausfallen. „Die erste Person die am Tisch fehlte“, setzte Gregory neu an. „War das eine Frau oder ein Mann?“
„Weiß ich nicht mehr“, sagte Jan. „Ich werde darüber nachdenken, aber jetzt muss ich meinen Job machen.“ Jan nahm das Plastikgitter, in dem sich die Bocciakugeln befanden und ging in die Küche. Jan schien sichtlich angestrengt zu sein. Die vielen Fragen und die Details, an die er sich zu erinnern vermochte, stellten für ihn keine Alltäglichkeit dar. Gregory folgte ihm, entfernte den Keil aus dem Türspalt und ließ sie zufallen. „Wir sehen uns“, sagte Gregory und schaute im Esszimmer nach dem Rechten. In einigen Minuten erscheinen die Herrschaften zum Abendessen. Auf verbale Hinweise bzgl. des Fehlens bzw. des Nichterscheinens der anderen Personen, reagierte Gregorys Herr schon einmal säuerlich und ein zweites Mal wollte es Gregory nicht darauf ankommen lassen. Ob Frühstück, Mittag- oder Abendessen, immer wiederholte sich dieselbe Prozedur. Beide nahmen ihre Plätze ein, ließen sich von Gregory gebührend begrüßen und anschließend bedienen. Sie aßen und tranken, sprachen kein Wort und zogen sich in ihre Zimmer zurück. Was stellten sie dort nur an? Irgendwas mussten sie doch tun? Hielten sie sich beide in einem Zimmer auf oder trennten sich im oberen Flur ihre Wege? Niemand hatte diesen Vorgang bisher beobachtet oder es schien niemanden zu interessieren. Die Reinigungsleute durften nur in den oberen Stock, wenn die Herrschaften hier unten im Esszimmer weilten. Zum Putzen blieben den Leuten geschätzte zwanzig Minuten, dann durfte oben niemand mehr zu sehen sein. Gregory war es strengstens untersagt, die obere Etage der Villa zu betreten. Zeigten sich Mängel oder Nachlässigkeiten, die auf eine schlampige bzw. nachlässige Arbeit des Reinigungspersonals zurückzuführen gewesen wäre, teilten es ihm die Herrschaften im Esszimmer sachlich mit. Oft wurde auf die Bestrafung Gregorys dafür verzichtet, oder es wurde einfach vergessen. Vielleicht sogar absichtlich, aber das konnte Gregory nur mutmaßen. Einerseits freute er sich über die ihm erwiesene Großzügigkeit, ihn nicht zu bestrafen und andererseits handelte es sich bei den Nachlässigkeiten oft nur um Dinge, die noch nicht einmal der
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