ES: Eine Villa wird zur Leichenhalle (German Edition)
Spurensicherung auffallen würde. Hätten die Herrschaften ihm irgendwelche Eklatanzen bzgl. der Sauberkeit in den oberen Räumlichkeiten mitgeteilt, müsste ein ernstes Gespräch mit den zuständigen Personen erfolgen, denn Unzufriedenheit war eines dieser Dinge, welches in diesem Haus keine Existenzberechtigung fand.
Eigentlich war alles, was mit ‚Un’ begann, in der Villa verpönt. Unhygiene, Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit, Unachtsamkeit usw. Unnachgiebigkeit gehörte seltsamerweise nicht dazu. Gregory schob die Glasscheibe der Durchreiche, die er ‚Luke’ nannte, zur Seite. „Sag’ mal“, sagte er zu Jan. „Steht hier in der Garage ein Auto und wenn Ja, was für eins?“ Noch bevor Jan antworten konnte, ertönte es aus Richtung Esszimmer.
„Nicht eines, sondern zwei“, hörte Gregory seinen Herrn sagen. „Ein Bugatti und ein Duesenberg, falls ‚Es’ sich für klassische Automobile interessiert“, gab er süffisant preis. Er schaute dabei nicht in Gregorys Richtung, sondern ließ seinen Blick unverändert auf sie gerichtet. Bei diesen Szenen hatte Gregory ständig das Gefühl , völlig unbedeutend zu sein. Man guckt ihn nicht an, spricht an ihm vorbei, nimmt ihn als Mensch überhaupt nicht wahr. Diese Demütigung empfand er erheblich schlimmer, als z. B. die ‚Stehlampe’. Es erinnerte ihn an seine Kindheit. Die Ohrfeige des Vaters oder die der Mutter waren schnell vergessen. Aber zwei Wochen Fernsehverbot oder besonders Stubenarrest hatten es in sich, wenn man durchs Fenster sah, wie die anderen Kinder ausgelassen spielten oder fröhlich mit dem Fahrrad zum Schwimmbad fuhren. „Deine Neugierde müsste damit gestillt worden sein, stille ‚Es’ nun unsere Belange!“ sagte Gregorys Herr in dieser typisch befehlsartigen Weise. Sie wandte sich auf ihrem Stuhl Gregory zu und er begrüßte erst sie und anschließend ihn in gewohnt gebührender Art auf Knien. Gregory küsste, in der Annahme für sein Vergehen nicht bestraft zu werden, ihre beider Füße und bediente sie anschließend. Er nahm dann wie immer den Platz am Ende der Tafel ein und wachte von dort aus darüber, dass seine Herrschaften bestens versorgt waren. Er schenkte nach und er legte vor, er setzte sich wieder hin, stand wieder auf und stand sich selbst im Wege. Offensichtlich bevorzugten sie Gesellschaft bei den Mahlzeiten oder fanden Gefallen daran, wenn man ihnen beim dinieren zuschaute. Vielleicht war es auch bloß eine nostalgische Geste, zumal die Tafel früher komplett besetzt war. Gregory musste Jan unbedingt fragen, wo die Herrschaften Platz nahmen, als noch alle Stühle an der Tafel besetzt worden waren. Gregory war froh, dass sich die Herrschaften so wie jetzt setzten und sich nicht an die Kopfenden verteilten. Um dann nicht den Überblick zu verlieren, hätte man Schiedsrichter beim Tennis, anstatt Butler lernen sollen. Aber zum Glück war es nicht so. Beide standen wieder wie abgesprochen auf und verließen das Esszimmer in Richtung Flur, also steuerten sie das obere Stockwerk an.
Gregory gab Jan ein Zeichen durch die Luke möglichst kein Geräusch zu machen, indem er seinen Zeigefinger senkrecht auf seine Lippen drückte. Jan signalisierte mit seinem erhobenen Daumen, dass er verstanden hat. Schnell streifte Gregory seine Lackschuhe ab und schlich seinen Herrschaften hinterher. Barfuss bewegte er sich über den dicken Teppichboden des breiten Flures und drängte sich wie ein Dieb in der Nacht an die Wand. Es herrschte Totenstille. Beide hatten schon die Hälfte der Treppen nach oben hinter sich und noch immer war kein einziges Wort gefallen. Gleich müssten sie den oberen Flur erreicht haben und in ein oder zwei Zimmer verschwinden. Gregory blieb auf einer der unteren Stufen stehen, um zu hören, wie viele Türen ins Schloss gezogen werden. Die durch den Teppichboden kaum vernehmbaren Schritte verzweigten sich.
„Das wäre jedenfalls schon ein Hinweis“, dachte Gregory „aber noch lange kein Beweis.“ Er hörte zwei Türen ins Schloss fallen.
„Aha“, dachte er „sie gehen in verschiedene Zimmer. Nach nicht einmal einer Sekunde hörte er wieder zwei Türen sanft ins Schloss fallen. „Es waren doch nur 2 Personen“, überlegte er „und 4 Türen wurden geschlossen? Wie soll das gehen?“ fuhr es ihm durchs Gehirn. Entweder ging jede Person in zwei Zimmer und das in Windeseile und darum kamen insgesamt 4 Geräusche zustande, oder jedes ihrer Zimmer verfügte über zwei Türen pro Eingang, wie man es
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