ES: Eine Villa wird zur Leichenhalle (German Edition)
Teller oder Gläser darauf stellte und ging zur Waschküche. „Tatsächlich“, dachte er. „Je näher man der Waschküche kam, desto intensiver wird der Geruch von Waschpulver.“ Auch im Supermarkt mied Gregory diese Abteilung nach besten Kräften. Man hätte ihn mit verbundenen Augen durch einen Discounter führen können, er hätte bei den Waschmitteln „Hier ist es!“ gerufen. Wie man es in einer Waschküche länger als 10 Minuten aushalten konnte, blieb ihm ein Rätsel.
Wieder zurück im Esszimmer, nahm er zwei frische Tafeldecken aus dem Wandschrank, legte sie auf den Tisch und faltete sie bedächtig auseinander, bis sie so lagen, wie man es erwartet. Er räumte die Standardutensilien, wie die Vase oder die Menage wieder an ihre angestammten Plätze und führte dabei so etwas wie ein Selbstgespräch.
„Früher“, setzte Gregory an „als die Tafel noch voll besetzt war“, führte er fort „wo saßen da die Herrschaften?“
„Genau“, sagte Jan, als hätte er einen Sechserpasch gewürfelt. „Die saßen sich zwar auch gegenüber, aber sie saßen jeweils am Kopf der Tafel“, trug er vor und seine Augen glänzten wie die eines Schulkindes, dass vor der ganzen Klasse ein Gedicht fehlerfrei aufgesagt hat.
„Interessant“, sinnierte Gregory und meinte noch: „So was dachte ich mir schon.“
„Und was bedeutet das?“
„Das kann ich noch nicht sagen, aber es bedeutet bestimmt was, wenn jemand seinen Platz wechselt.“ Irgendwie hatte man den Eindruck, in Gregorys Kopf würden Zahnräder arbeiten und ineinandergreifen, als ob man eine Tresortüre von innen betrachten könnte. „Umgekehrt wäre es mir allerdings lieber gewesen“, sagte Gregory und Jan verstand – wie so oft in letzter Zeit – kein Wort.
„Umgekehrt?“
„Der Platz am Kopf einer Tafel stellt seit Jeher etwas Besonderes dar. Es ist so eine Art Ehrenplatz. Wer da sitzt hat mehr zu sagen, als die anderen. Früher war es der Älteste, dem dieser Platz gebührte. Es kann aber auch ein Bürgermeister oder ein sonstiger Vorsteher sein. Oder ein Chef oder was-weiß-ich.“
„Oder ein Mafia-Boss!“ sagte Jan und sah freudig, wie Gregory ihm kopfnickend zustimmte.
„Aber hier ist es umgekehrt“, sagte Gregory. „Erst saßen sie am Kopf der Tafel und jetzt sitzen sie mehr oder weniger irgendwo.“ Gregory schaute in die Luft.
„Wenn sie früher der Boss waren und darum am Kopf der Tafel saßen“, formulierte Jan ganz mutig „und jetzt keiner mehr da ist, der ihre Sitzposition würdigen würde, ist es doch egal, wo sie jetzt sitzen.“
„Donnerlittchen! Und das alles aus deinem Mund, ich bin begeistert“, sagte Gregory und zwängte sich so gut es ging durch die Luke, um Jan zum Ausdruck seiner Begeisterung in den Arm zu nehmen.
„Schon ok“, sagte Jan. „Ich hab auch meine hellen Momente“, strahlte er.
„Wie kommst du eigentlich hier hin, wollte ich schon immer mal fragen? Bus, Bahn, zu Fuß oder mit’m eigenen Auto?“
„Mi’m Hubschrauber“, lachte Jan. „Nee, Quatsch. Mi’m Auto“, sagte er. „Lisbett steht immer auf der anderen Straßenseite. Ist noch so’ne Angewohnheit aus der Zeit, als die Leute donnerstags zum Abendessen kamen und ihre Nobelkutschen vor’m Haus parken wollten. Einmal, als ich noch direkt vor’m Haus parkte, kam so’n feiner Pinkel auf mich zu und meinte, ich solle meinen Schrotthaufen gefälligst woanders abstellen. Seitdem stelle ich Lisbett gegenüber ab.“
„Wer ist Lisbett? Sag jetzt bloß nicht, du nennst dein Auto Lisbett?!“
„Aber genau! Wir nennen unser Auto schon seit der Anschaffung Lisbett!“ triumphierte Jan.
„Bestimmt hast du dem ‚kleinen Jan’ auch einen Spitznamen verbraten und den Möpsen deiner Frau sicher auch?“ spottete Gregory.
„Du kennst dich gut aus. Du warst bestimmt bei der Stasi.“, lachte Jan.
„Und“ wollte Gregory wissen. „Wie heißen die Möpse von deiner Frau? Dick und Doof, Micky und Maus, Crusoe und Freitag oder Isaac und Newton?“
„Wer zum Geier sind Isaac und Newton?“
„Isaac Newton? Der Entdecker der Schwerkraft. Schau dir die Möpse deiner Frau noch mal in – sagen wir – zwanzig Jahren an und du denkst an mich, wetten“, nervte Gregory.
„Wenn der Automat fertig ist“, sagte Jan und deutete auf die Spülmaschine „dann setzt sich der Jan in seine Lisbett und düst vom Gehöft Richtung Max und Moritz.“
„Wie lange fährst du nach Hause?“
„Wie lange?. Bis ich da bin“, lachte Jan wieder und
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