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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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Gehsteig in Richtung der Buben.
    – Geht bloß nach Hause, knurrt der Mann kopfschüttelnd, als er die bewaffneten Hitlerjungen in dem offenen Haustor stehen sieht. In gebeugter Haltung verharrt er einen Moment, als bemühe er sich zu begreifen, was das alles zu bedeuten hat und wie es kommen konnte, daß er in löchrigen Unterhosen und mit verrutschten Kniestrümpfen auf der Straße steht.
    – Ein Wahnsinn, sagt er.
    Er reckt in Gewichthebermanier seine weiß bestäubten Hände aus den Ärmeln der Jacke, um die verbeulte Karikatur seiner selbst besser fassen zu können. Mit einem weiteren leisen Fluch schleppt er die Last davon.
    – Da unten sind Russen, ruft Peter dem Mann hinterher.
    – Die sollen ihn erschießen, schnauzt der Fähnleinführer: Du siehst doch, was das für einer ist.
    Der Fähnleinführer spuckt hinaus auf die Straße, wo sich der Mann auf seinen käsigen, blaugeäderten Heuschreckenbeinen entfernt, kläglich neben der mehlgefüllten Hose, deren Umfang auf Früheres und Künftiges verweist, auf bessere Zeiten, die es gab und hoffentlich auch wieder geben wird.
    – Man könnte ihm in die Hosen hineinschießen, schlägt Peter vor zur Wiedergutmachung dafür, daß er den Plünderer vor den Russen warnen wollte.
    – Kommt, wir schießen ihm die Hosen entzwei, wiederholt er. Bei dem Gedanken, daß das Mehl dann ausrinnt wie das Korn in Max und Moritz , muß er lachen.
    Der andere Bub gluckst mit ihm.
    – Dieses Arschloch, sagt der andere Bub, doch ohne sich zu rühren.
    Der Fähnleinführer indes findet Peters Vorschlag weniger witzig und haut Peter die Kappe vom Kopf.
    – Spar deine Munition, du Pfeife, du wirst jeden Schuß brauchen.
    Ohne sich beirren zu lassen (oder mit apathischer Fügsamkeit), klaubt Peter seine Kappe vom Boden auf. Er mag seinen Fähnleinführer nicht, der hat von Anfang an darauf verzichtet, es unter seinen Buben zu besonderer Beliebtheit zu bringen. Anfang Februar hat er auf dem Wehrertüchtigungslager in Judenburg Peters Degradierung durchgesetzt, nachdem Peter in der Nacht beim Pinkeln ins Waschbecken erwischt worden war. Die übliche Geschichte. Aber er: Degradiert. Im Hof vor versammelter Truppe zuerst zusammengestaucht, anschließend die Scharführer-Kordel heruntergerissen. Das war furchtbar. So eine Blamage.
    Peter gähnt nervös. Sein Magen knurrt. Gleichzeitig memoriert er einen Essensspruch, den man ihnen auf einem Sommerlager beigebracht hat. Der ging so: Alle Leute sollen leben, die uns was zu essen geben. Alle Leute werden verhauen, die uns was vom Essen klauen. Alle Leute sollen sterben, die das Essen uns verderben.
    Drei Wochen lang vor jedem Essen immer derselbe Spruch.
    – Verhauen sollte man den Plünderer, sagt er.
    Aber die anderen hören ihm bereits nicht mehr zu.
    Von Südwesten trommelt der Feind schon den ganzen Tag mit allen Batterien über die Buben hinweg in die Radialstraßen zum ersten Bezirk hinein. Lage auf Lage in verblüffend rascher Folge. Nach der Richtung der Detonationen zu schließen, erhält den meisten Beschuß die Gegend um die Stiftgasse. Peter findet es erstaunlich, wie schnell diese Geräusche vertraut geworden sind; ganz ähnlich war es bei den Zügen, die daheim hinter dem Haus vorbeifuhren. Peter ruft sich ins Gedächtnis, daß seine Mutter die vorbeifahrenden Züge zu mögen anfing, je weiter ihre Krankheit fortschritt, und daß sie sagte, in der Nacht, wenn sie wach liege, denke sie beim Geräusch der Züge an Ausflüge und Besuche von früher. Später, wenn Peter Zeit dazu haben wird (sehr viel später), will er sich diese Dinge nochmals durch den Kopf gehen lassen. Aber im Moment ist für derlei Überlegungen kein Platz. Als ihm einfällt, wie erleichtert er war, dank der Einberufung von der Trübseligkeit daheim wegzudürfen, spürt er kurz ein schlechtes Gewissen. Doch auch diese Empfindung wird von den Anforderungen des Augenblicks fast unverzüglich überlagert. Das Rattern und Quietschen schlechtgeölter Panzerketten mischt sich unter den hartnäckigen Artillerielärm und schwillt rasch an. Ein T-34-Panzer mit vorne aufgemaltem rotem Stern biegt von unten in die Straße. Die Turmkanone schwenkt einige Grad nach rechts, senkt sich und feuert von der linken Straßenseite eine schrill zwitschernde Granate auf die Ruine am rechten Ende des Blocks. Das Geschoß detoniert mit hohlem Klang. Ein verdammter Krach. Eine Staubwolke schießt auf, es steindelt in den aufragenden Mauerresten, und an den umliegenden

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