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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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Tapeziertische, Pinsel und Farbeimer transportiert wurden, und wer nicht höllisch aufpasste, kam abends mit bunten Flecken nach Hause, aber das war immer noch besser, als stundenlang zu Fuß durch die Gegend zu latschen oder das teure Fahrgeld zu berappen.
    Trotz allem, was ihn bedrückte, wurde Dlugy im Kreise seiner Freunde immer fröhlicher. Latzke kannte er vom Fußball her und Sprotte vom Druck aufrührerischer Flugblätter.
    Waren Priebisch und Dlugy wahre Hünen, so konnte man den Buchdrucker Johannes Sprotte mit Fug und Recht als «Hämeken», also als schmächtigen Menschen bezeichnen. Stimmte es zwar nicht, dass er, wie viele lästerten, in Dlugys Freundeskreis der Einzige war, der richtig lesen und schreiben konnte, so war er doch sozusagen ihr intellektuelles Zentrum.
    Luise Waldschischek war Fabrikarbeiterin und seit einiger Zeit Dlugys Freundin. Da ihr Vater Arzt war, hätte sie sich als höhere Tochter fühlen können und es, weiß Gott, nicht nötig gehabt, in der Kronen-Brauerei am Band zu stehen und die gereinigten Flaschen zu prüfen. Doch sie hasste es, wenn die Genossinnen und Genossen in den Salons saßen und die Lage der arbeitenden Frau beklagten, ohne jemals eine Fabrik von innen gesehen zu haben. Angesteckt hatte sie sich bei den englischen Frauenrechtlerinnen während eines Badeaufenthalts in Brighton, und sie eilte zu jeder Veranstaltung mit Rosa Luxemburg.
    Aus grauer Städte Mauern zogen sie hinaus aufs freie Feld, das heißt, sie knatterten über die Franklin- und die Marchstraße zum Knie, um dort in die Bismarckstraße einzubiegen und Kurs auf den Reichskanzlerplatz zu nehmen. Über die Heerstraße ging es dann zur Havel. Sie stellten das Automobil am Straßenrand ab und nahmen den Uferweg.
    Luise Waldschischek ergriff Dlugys Hand. «Du bist so bedrückt heute. Hast du was?»
    Er reagierte mürrisch. «Was soll ich schon haben? Moabit macht mir Sorgen. Ob das wirklich alles einen Sinn hat... Das sind doch nur Nadelstiche.»
    Sie kommentierte das mit einem Satz Theodor Fontanes:
    «Hundert Nadelstiche regen mehr auf als ein Kolbenstoß.»
    Sprotte berichtete, dass er gestern einen Artikel gesetzt hatte, in dem es um einen Friedensfeldzug in England ging. «Die Unabhängige Arbeiterpartei organisiert einen nationalen Feldzug gegen die Rüstungen in der Welt. Neun Millionen Mark werden jährlich dafür ausgegeben. Von den Franzosen ist Jean Jaurès dabei.»
    «In Deutschland haben die Sozialisten sicher Angst, dass der Kaiser böse guckt, wenn sie mitmachen», sagte Dlugy.
    Bei Latzke in der Malerfirma hatten sie sich über einen Fall aus Duisburg scheckig gelacht. «Da hat die Strafkammer den Baptistenprediger Julius Stoll zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Und warum? Er hat sich als Naturheilkundler ausgegeben und weibliche Angehörige der Baptistengemeinde veranlasst, sich von ihm untersuchen zu lassen.»
    «Gute Idee», sagte Priebisch. «Das werde ich auch mal machen.»
    «Wehe!» Luise Waldschischek schlug mit einem abgerissenen Ast nach ihm.
    Natürlich sprachen sie auch darüber, was es an Mord und Totschlag gegeben hatte.
    «In Rothenburg hat sich der Kandidat der Mathematik Friedrich Maurer aus unglücklicher Liebe erschossen», sagte Latzke.
    «Es ist doch egal, ob man mit zwanzig oder mit achtzig stirbt», philosophierte Sprotte. «In dem Augenblick, wenn man tot ist, spielt das doch sowieso keine Rolle mehr.»
    «Vielleicht hat sich der Kohlenarbeiter in Moabit auch selber erschossen», sagte Luise Waldschischek.
    Priebisch wollte das ausschließen. «Nein, auf keinen Fall. In der Zeitung steht, dass die Kriminaler keine Waffe neben ihm gefunden haben.»
    «Die übersehen schon mal was.»
    «Gestorben wird immer», sagte Sprotte. «Das lässt sich nicht ausschließen. Am besten ist es, wenn einen der Tod auf dem Friedhof ereilt, dann hat man es nicht mehr so weit. Wie mein Freund Karl, der Gastwirt, den kennt ihr auch, dem hat das Restaurant
    ‹Zum Nordpol› gehört, Varziner Straße 1, gleich am Bahnhof Wilmersdorf-Friedenau. Der geht spazieren und bleibt vor dem Gemeindefriedhof in der Stubenrauchstraße stehen, um das Portal zu bewundern, das sie gerade errichtet haben. Da ereilt ihn der Schlag.»
    Damit waren sie in Schildhorn angekommen und studierten die Schilder und Ankündigungen: Rudolf Schmidt’s Wirthaus Schildhorn - Stehbier-Halle - Photographisches Atelier - Postkarten - Dampferstation. Es war zu überlegen, ob man erst einkehren oder sich zu einer

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