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Es geschah in einer Regennacht

Es geschah in einer Regennacht

Titel: Es geschah in einer Regennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Bedeutung, zum andern, weil ich aus dem Kunstverein seine
Freundin gut kenne, die schöne Angela Parth, die ja ebenfalls letzte Nacht
beraubt wurde. Angela liebt Simonka noch immer und hofft auf seine Rückkehr.«
    »Kein Grund, um nach Luft zu
schnappen«, sagte Tim.
    »Wart’s ab.« Karl lächelte
listig und rückte an den Trägern des City-Rucksacks.
    »Wir warten.«
    »Simonka ist seit drei Jahren
verschollen. Um genau zu sein: In knapp drei Wochen, Mitte April, jährt sich
dieser traurige Tag zum dritten Mal.«
    Tim machte: »Hmmm.«
    »Simonka war, wie Gehrmann
richtig sagt, südlich ausgerichtet. Er liebte Norditalien und Südtirol und war
ein leidenschaftlicher Berggänger.«
    »Bergsteiger«, verbesserte
Klößchen.
    »Ich sage absichtlich
Berggänger, denn gekraxelt ist er nicht. So mit Seil und Haken in steiler
Felswand, das hat er nie gemacht. Er war ein Tourengeher — auf schmalen,
halsbrecherischen Pfaden die Berge hinauf, so weit es möglich ist, ohne richtig
zu klettern. Dreitausend Meter und höher. Vor drei Jahren Mitte April ist er
nach Südtirol gefahren, um eine anspruchsvolle Tour zu machen, die so genannte
Todesroute. Sie führt über Maudersee, Höllenkegel, Witwensteg und Teufelsbrücke
auf den Montekrasso, der ja fast viertausend Meter misst. Die Strecke führt an
gefährlichen Kluften entlang, an Schluchten und unerforschten Felsspalten.«
    »Ich bevorzuge den Stadtpark«,
sagte Klößchen.
    »Eigentlich«, sagte Karl,
»wollte ihn sein Freund Harald Riemer begleiten. Aber den erwischte vorher eine
Brechdurchfall-Grippe und er entschied sich zu einer Quarantäne (Isolierung
einer Person mit ansteckender Krankheit) in den eigenen vier Wänden.
Deshalb macht er sich heute Vorwürfe. Weil er meint, in seiner Begleitung wäre
Simonka nicht verunglückt. Denn der kam von seiner Tour nicht zurück.
Aufgebrochen zur Todesroute ist er. Das hat man in dem Hotel bestätigt, wo er
abgestiegen war. Aber dann verliert sich jede Spur. Wochenlang hat man nach ihm
gesucht. Angela hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt. Auch Riemer hat,
nachdem er wieder gesund war, auf der Todesroute gesucht. Aber wenn diese wilde
Gegend, sicherlich die schaurigste in Europa, jemanden verschlucken will, dann
ist er verschwunden wie im tiefsten Ozean. In den hunderte von Metern tiefen
Felsspalten ruhen sicherlich mehr Gebeine als auf ‘nem Dorffriedhof mit
durchschnittlicher Belegung.«
    »Traurige Sache«, meinte
Klößchen. »Aber selbst verschuldet. Warum kann der Mensch die Natur nicht in
Ruhe lassen?! Auf jeden Berg muss er rauf, jede Landschaft für seine Freizeit
erschließen. Biken, Drachenfliegen, hordenweise wandern. Und bewaldete Berghänge
kahl holzen, damit neue Skihänge entstehen. Ganz zu schweigen von den
überflüssigen Autostraßen in schönster Natur. Pflanzen werden zertrampelt,
Wildtiere verscheucht. Das Ganze nennt sich Freizeitindustrie und es geht nur
um Knete. Alles Kacke!«

    »Dem ist nichts hinzuzufügen«,
grinste Tim. »Mit denen, die wandern, bin ich allerdings nicht so streng. Die
haben fast immer Respekt vor der Natur. Und Simonka war offenbar so jemand.«
    »Was meinst du mit war ?«,
fragte Karl.
    »Aufgrund deiner Infos halte
ich ihn für tot. Tödlich verunglückt. Und das Gemälde ist aus seinem Nachlass.
Seinem Veroneser Nachlass.«
    »Es ist nicht aus seinem
Nachlass.«
    »Nein?«
    Karls Brillengläser blitzten.
»Ich wette mein Computer-Gedächtnis gegen ein Teesieb: Das Verona-Bild ist
neusten Datums. Es muss im letzten Sommer entstanden sein, jedenfalls zur
heißen Jahreszeit.«
    Seine Freunde starrten Karl an.
    »Keine Fälschung«, sagte Gaby
und hielt den Daumen hoch. »Neueren Datums.« Der Zeigefinger folgte. »Das
hieße, Simonka weilt noch unter den Febenden.« Sie streckte den Mittelfinger
aus.
    Karl nickte. »Es gibt keine
andere Erklärung. Deshalb habe ich vorhin geseufzt wie ein Kater auf Brautschau
beziehungsweise gezischt wie ein Teekessel.«
    »Was macht dich so sicher?«,
fragte Tim.
    Karl lächelte. »Ich kenne doch
Verona. Wie ihr wisst, besuchen meine Eltern jeden Sommer die dortigen
Opernfestspiele. Und ich muss mit. Obwohl man mich dazu nicht zu überreden
braucht. Die Festspiele sind nämlich immer ein irres Event. Letzten Sommer
waren wir dort, vorletzten auch. Auf dem Weg vom Hotel zur Arena di Verona
socken wir viele, viele Male durch genau jene Straße, die Simonka auf seinem
Gemälde verewigt hat. Mit geschlossenen Augen könnte ich euch sagen,

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